Strategie gegen Engpässe gesucht

Lieferengpässe von Antibiotika

Kaum ist das Knochenkrebsmittel Melphalan wieder lieferbar, geht in den Krankenhäusern das Antibiotika Ampicillin zur Neige. Lieferengpässe scheinen keine Einzelfälle mehr zu sein. Experten fordern Konsequenzen.

Lieferengpässe: kein Einzelfall

Erst kürzlich ging es durch die Medien: Melphalan, ein Standardmedikament gegen Knochenkrebs, war knapp fünf Wochen lang nicht lieferbar. Die Ursache lag in diesem Fall beim Hersteller. Inzwischen ist das Arzneimittel wieder verfügbar, doch das Grundproblem bleibt bestehen. Denn Arzneimittelengpässe sind schon längst kein Einzelfall mehr. Besonders häufig davon betroffen sind patentfreie Injektions- und Infusionslösungen sowie bewährte Antibiotika wie Ampicillin. Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig: Produktionsausfälle, Erkrankungsausbrüche, Ausschreibungen von Krankenkassen sowie fehlende Importgenehmigungen sind einige Beispiele.

Aktuell: Lieferengpass bei Antibiotika

Aktuell ist Ampicillin sowie die Wirkstoffkombination Ampicillin/Sulbactam wieder knapp. „Manche Klinikapotheken müssen vorhandene Reserven streng rationieren, während andere noch ausliefern, aber nur noch sehr kurze Zeit lieferfähig sind“, erläutert Dr. Matthias Fellhauer vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) die aktuelle Lage. Ampicillin/Sulbactam eignet sich gut für Haut- und Weichteilinfektionen, Wundinfektionen, bestimmte Formen der Lungenentzündung und Infektionen im Kopf- und Halsbereich. „Neben dem günstigen Wirkspektrum ist das Präparat vergleichsweise arm an Nebenwirkungen und gehört deshalb zu den häufig verordneten intravenösen Antibiotika im stationären Bereich“, erläutert Prof. Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln, die Bedeutung des Medikaments.

Lieferengpässe begünstigen Antbiotikaresistenzen

Die Substanzklasse der Aminopenicilline, wozu auch Ampicillin gehört, ist seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „dringend benötigter Wirkstoff“ eingestuft und durch andere Präparate schwer zu ersetzen. Viele Ärzte greifen ersatzweise auf Antibiotika aus der Gruppe der Cephalosporine zurück. Gerade diese Medikamente stehen aber im Verdacht, die Ausbreitung von multiresistenten Bakterien und dem Durchfallerreger Clostridium difficile zu fördern. Die Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) weisen deshalb darauf hin: Eine rationale Antibiotikaverschreibung und die Eindämmung resistenter Bakterien, wie sie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im „10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger“ fordert, drohen an Lieferengpässen zu scheitern. „In der Konsequenz entstehen Nachteile für den Patienten bis hin zur Gefährdung der Patientensicherheit“, warnt Fätkenheuer.

Experten fordern bessere Information

Hersteller sind nicht verpflichtet, Versorgungsengpässe frühzeitig zu melden. Häufig werden die Apotheker und Ärzte erst informiert, wenn keine Ware mehr vorhanden ist. Zwar gibt es ein Register für Lieferengpässe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Diese ist jedoch nicht vollständig, da Eintragungen freiwillig erfolgen. Die DGI und die ADKA fordern deshalb:

  • Das unverzügliche Informieren von Ärzten und Apothekern über aktuelle Produktions- und Lieferschwierigkeiten.
  • Eine umfassende Strategie, welche die Produktions- und Lieferfähigkeit der pharmazeutischen Industrie in Deutschland bezüglich dringlich benötigter Arzneimittel verbessert, auch wenn deren Patentschutz abgelaufen ist.
  • Eine mit Experten abgestimmte Informierung der Fachkreise zum Verhalten bei Lieferengpässen dringlich benötigter Antibiotika.

Autor*innen

02.09.2015 | Sandra Göbel/DGI/ADKA