Was sind rheumatische Erkrankungen?

Umgangssprachlich werden alle schmerzhaften Erkrankungen an Rücken, Gelenken und Knochen sowie Muskeln, Sehnen und Bändern als Rheuma bezeichnet. Rheuma ist jedoch nicht gleich Rheuma – hinter dem Begriff verbergen sich 300 voneinander abgrenzbare Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Krankheitsursachen und Verläufen. Sie lassen sich nach Art und Lokalisation grob einteilen in:

  • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen: sie sind häufig Autoimmunerkrankungen, die nach ihrem Einsetzen die Betroffenen meist ein Leben lang begleiten. Charakteristisch ist die (primäre) Gelenkentzündung, die Arthritis. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen beschränken sich aber nicht auf den Bewegungsapparat, sondern können nahezu alle Organsysteme in Mitleidenschaft ziehen. Am häufigsten ist die Rheumatoide Arthritis, die allmählich die Gelenke zerstört (1 % der Bevölkerung leidet daran). Fast ebenso häufig ist der Morbus Bechterew. Seltener sind Kollagenosen und Vaskulitiden: schwere Multiorgankrankheiten, bei denen vor allem das Bindegewebe bzw. die Blutgefäße befallen sind.
  • Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden wie z. B. die Gicht.
  • Degenerative Gelenkerkrankungen aufgrund von Überlastungs- und Verschleißerscheinungen (manchmal „Verschleißerkrankungen“ genannt, korrekt ist aber der Begriff Arthrose). Sie betreffen vor allem Wirbelsäule, Hüftgelenke und Kniegelenke.

Gelenkschäden entstehen einerseits durch jahrelange Überbeanspruchung und Abnutzung (Arthrose), zum anderen durch entzündliche Prozesse im Rahmen einer Autoimmunreaktion (Arthtitis). Die Abgrenzung zwischen beiden ist deshalb schwierig, weil jede lang dauernde Arthritis zur Arthrose führt, andererseits jede nicht nur leichte Arthrose zumindest vorübergehend eine Entzündung eines Gelenks, also eine Arthritis, nach sich zieht. Trotzdem ist die Unterscheidung unerhört wichtig, weil der Therapieansatz jeweils ein völlig anderer ist.

[GTV 2602]

Arthrose (degenerativ)

Arthritis (entzündlich)

Ursache

Abnutzung der Gelenke durch Fehl- oder Überlastung, gehäuft bei Übergewicht und im Alter ab 70

Entzündung der Gelenkinnenhaut (Synovitis) durch rheumatologische Erkrankung oder Infektion

Leitbeschwerden

Ermüdungs- und Belastungsschmerz

Ruheschmerz, Überwärmung und Schwellung

Entwicklung

Entwickelt sich über Jahre

Entwickelt sich innerhalb von Stunden oder Tagen

Lokalisation

Betrifft meist große Gelenke, am häufigsten Hüften und Knie

Betrifft große und kleine Gelenke

Art des Gelenkschmerzes

  • Kurzer Anlaufschmerz nach jeder Ruhephase
  • Im Laufe des Tages zunehmender Belastungsschmerz
  • Kaum Ruheschmerz
  • Kein Nachtschmerz (außer Schulter)
  • Dauerschmerz erst in Spätfällen
  • Lang dauernder Morgenschmerz, im Laufe des Tages abklingend
  • Ruheschmerz
  • Häufig Nachtschmerz
  • Dauerschmerz

Schwellung

Nur nach erheblicher Belastung

Fast immer (ohne vorherige Belastung)

Fieber

Nie

Manchmal

Verlauf

Langsam fortschreitend

Oft schubweise

Schema der Gelenkveränderung

Verdichtung gelenknaher Knochenzone, örtliche Bildung von Osteophyten (Knochennasen)

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Gelenkspalt verschmälert, Umbau gelenknaher Knochenpartien, generalisierte Schäden

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Tabelle: Abgrenzung von Arthrose und Arthritis

Dreh- und Angelpunkte der Rheumatologie: die Gelenke

Jedes Gelenk wird durch eine zweischichtige Gelenkkapsel umgeben. Ihre äußere Schicht, die Membrana fibrosa, hat eine feste Struktur und verleiht dem Gelenk die Stabilität. Die innere Schicht, die Gelenkinnenhaut (Synovialmembran), sondert Gelenkflüssigkeit (Gelenkschmiere, Synovialflüssigkeit, Synovia) ab, die sich über die Gelenkenden und im Gelenkspalt verteilt. Dadurch wird die Reibung von Knorpel überzogenen Gelenkflächen bei der Bewegung verringert.

Bei der rheumatoiden Arthritis z. B. greifen Autoantikörper die Gelenkinnenhaut an. Die einsetzende Entzündungsreaktion führt dazu, dass Abwehrzellen in das betroffene Gelenk einwandern. Die Immunzellen produzieren Botenstoffe, die Zytokine. Hierzu gehören als wichtigste Vertreter der Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-a) und Interleukin-1 (IL-1): Beide Zytokine setzen in den Zellen eine Reaktionskette in Gang, wodurch Knorpel und Knochen weiter angegriffen werden.

Durch die entzündlichen Prozesse verdickt und entzündet sich die Gelenkinnenhaut (Synovitis) und bildet vermehrt Gelenkflüssigkeit. Es entsteht eine schmerzhafte Gelenkschwellung, durch die Gelenkkapseln und der Bandapparat der Gelenke überdehnt und die Gelenke instabil werden. Die Gelenkinnenhaut beginnt zu wuchern und wächst wie ein Keil in das Gelenk hinein (Pannusbildung). Nach und nach greift sie auf den Knorpel über. Die freigesetzten aggressiven Enzyme zerstören im Laufe der Zeit den Gelenkknorpel. Im fortgeschrittenen Stadium geht die Entzündung von den Gelenkrändern her auf den Knochen über und zerstört bzw. deformiert schließlich das gesamte Gelenk.

Autor*innen

Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 12:49 Uhr