Symptome und Therapie

Schlaganfall

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Bestimmte Arten von Schwindel oder Kopfschmerzen können Vorboten eines Schlaganfalls sein.

Was sind erste Anzeichen für einen Schlaganfall? Wie verhält man sich in dieser Situation? Und welche Möglichkeiten der Therapie stehen zur Verfügung. Die Antworten auf diese Fragen kennt der Experte Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Ev. Krankenhaus Bielefeld am Standort Bethel und Johannesstift.

Welche Symptome weisen auf einen Schlaganfall hin? Können Taubheitsgefühle im Gesicht oder Sehstörungen schon erste Anzeichen sein?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Das können sie. Weitere häufige Schlaganfallsymptome sind Sprachstörung, Halbseitenlähmung bzw. Arm-, Bein- oder Gesichtslähmung, Sensibilitätsstörungen (Hand, Gesichtshälfte, Arm oder Bein werden taub), Sehstörungen (Doppeltsehen, Gesichtsfeldausfall). Bestimmte Schwindelformen und Kopfschmerzen können auch Vorboten eines Schlaganfalles sein.

Der Zeitfaktor spielt beim Schlaganfall eine große Rolle. Warum?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Wissenschaftliche Ergebnisse der letzten 20 Jahre zeigen, dass sich ein Schlaganfall über Minuten bis wenige Stunden entwickelt. Anfänglich besteht ein kleines Kerngebiet, welches von einem Infarkt betroffen ist und abstirbt. In den nächsten drei bis vier Stunden entwickelt sich dieses Gebiet zum vollständigen Infarkt und nimmt dann an Größe deutlich zu. Um die Ausbildung eines vollständigen Schlaganfalles zu verhindern, muss der Patient sehr früh auf einer Schlaganfallspezialstation, der sogenannten Stroke Unit, mit einer Lysetherapie behandelt werden. Dann sind die Chancen auf eine teilweise oder sogar vollständige Rückbildung der Schlaganfallsymptome sehr gut.

Warum ist die Rate von Schlaganfall-Patienten, die im ersten Jahr sterben, so hoch?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Diese ist deshalb so hoch, da es besonders bei schwereren Schlaganfällen infolge der durch den Schlaganfall ausgelösten Immunschwäche häufig zu schweren Infekten wie Lungenentzündungen kommt. In Kombination mit schweren Symptomen wie hochgradige Lähmung, Schluck- und Sprachstörung ist bei diesen Schlaganfallformen die Sterblichkeitsrate am höchsten.

Wie sieht die zeitgemäße Behandlung eines Schlaganfall-Patienten heute aus?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Die zeitgemäße Behandlung eines Schlaganfall-Patienten erfolgt heute bei uns in Deutschland auf einer Stroke Unit (Schlaganfallspezialstation). Auf dieser wird die Akuttherapie in Form einer Thrombolyse zur Auflösung eines Blutgerinnsels, welches eine gehirnversorgende Arterie verstopft, durchgeführt, sowie die Schlaganfallkomplexbehandlung. Letztere umfasst alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zur Ursachensuche des Schlaganfalls sowie dessen prophylaktische Behandlung. Schließlich wird schon auf der Stroke Unit oder auf der nachsorgenden Station die Weiterbehandlung (Rehabilitation, Entlassung nach Hause) organisiert. Auf der Stroke Unit erfolgt bereits je nach Symptomen eine frühzeitige intensive Logopädie, Physiotherapie und/oder Ergotherapie.

Wann ist eine Operation erforderlich?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Eine Operation beim Schlaganfall ist bei den meisten Fällen nicht erforderlich. Es gibt jedoch die Konstellation, dass eine hochgradig eingeengte Halsschlagader die Ursache für einen Schlaganfall darstellen kann. Dann kann es notwendig sein, diese Einengung, die meist durch arteriosklerotische Plaques besteht, gefäßchirurgisch zu entfernen. In seltenen Fällen kommt es auch vor, dass der Schlaganfall so groß ist, dass durch eine Entlastungsoperation Platz geschaffen werden muss.

Welche Reha-Maßnahmen sind sinnvoll? Reichen vier bis sechs Wochen aus? Was geschieht danach?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Eine Reha-Behandlung nach einem Schlaganfall umfasst in der Regel physiotherapeutische, logopädische, ergotherapeutische, neuropsychologische Maßnahmen. Diese werden auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten abgestimmt und dienen der Verbesserung der funktionellen Defizite des Patienten. Das heißt, eine etwaige Lähmung wird durch gezieltes Training sukzessive verbessert. Für leichte Schlaganfälle reichen meistens drei Wochen aus, schwerere Schlaganfälle brauchen meistens sechs Wochen. Für sehr schwere Schlaganfälle besteht auch noch nach sechs Wochen in Absprache mit den Kostenträgern die Möglichkeit der Rehabilitation.

Wer übernimmt die Kosten, wenn Patienten zum Pflegefall werden? Wann wäre eine Zusatz-Pflegeversicherung sinnvoll?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Im Falle einer Pflegebedürftigkeit springt die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Durch diese werden allerdings bei schwereren Pflegefällen nicht alle Leistungen abgedeckt. Der Betrag der Unterdeckung und der zusätzlich anfallenden Kosten kann je nach Pflegestufe und je nach Pflegeart (zum Beispiel vollstationär oder zu Hause) zwischen 1.000 und 2.000 Euro liegen. In diesen Fällen kann dann eine Zusatz-Pflegeversicherung sinnvoll sein, die diesen Teil abdeckt.

Bei wie vielen Schlaganfall-Patienten bleibt eine Behinderung zurück?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Bei ungefähr 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten bleibt eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Behinderung zurück. Es ist sicherlich so, dass für einen guten Rehabilitationserfolg und damit für eine gute Genesung Motivation und Mitarbeit des Patienten von essenzieller Bedeutung sind.

Die Angst vor einem zweiten Schlaganfall ist bei vielen Betroffenen hoch. Ist das begründet?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Tatsächlich ist nach dem Schlaganfall die Angst vor dem nächsten Schlaganfall hoch. Denn verglichen mit gesunden Personen ist nach einem ersten Ereignis das Risiko für weitere Schlaganfälle größer. Wichtig sind daher eine sorgfältige Abklärung der Schlaganfallursache und eine entsprechende prophylaktische Behandlung. Wenn dieses korrekt gemacht wurde, dann braucht man keine besondere Angst zu haben.

Wie stehen die Chancen bei jüngeren Betroffenen, nach einem Schlaganfall in den Berufsalltag zurückzukehren?

Prof. Dr. Wolf Rüdiger Schäbitz: Generell lässt sich sagen, dass die Regenerationsfähigkeit des Gehirn bei jüngeren Patienten deutlich stärker ausgeprägt ist. Dieses bedeutet, dass auch die Chancen bei jüngeren Patienten größer sind, dass sich Funktionsstörungen wie beispielsweise eine Halbseitenlähmung oder eine Sprachstörung komplett regenerieren. Damit ist natürlich auch die Voraussetzung gegeben, nach dem Schlaganfall wieder in den Berufsalltag zurückzukehren. Zusätzlich hängt dieses auch noch von der Schwere des Schlaganfalls ab. Hier haben Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Schlaganfall gute Aussichten.

Autor*innen

S. Göbel/djd/Ev. Krankenhaus Bielefeld | zuletzt geändert am um 17:31 Uhr