Versandhändler beraten lasch

Medikamentenmissbrauch frei Haus

Viele Internethändler gehen leichtfertig mit der Abgabe freiverkäuflicher Arzneimittel um. So das Fazit eines Testkaufs der Verbraucherzentrale NRW bei 50 Versandapotheken, die Medikamente nach Hause liefern und über keine stationäre Filiale verfügen.

Wirkstoff mit Suchtpotenzial

Wie warnen Online-Händler bei einer Medikamenten-Bestellung im Internet ihre Kunden vor möglichen Risiken und Nebenwirkungen? Um dies herauszufinden, gab die Verbraucherzentrale NRW sich bei 50 Versandapotheken als Kunde aus. Sie bestellte fünf Packungen mit 20 Tabletten Betadorm-D, einem Mittel zur Behandlung von Schlafstörungen. Die Packungsbeilage rät zur Einnahme einer Tablette täglich – maximal 14 Tage lang. Bei langfristiger Einnahme macht der Wirkstoff abhängig. Mit gleich fünf Packungen bestellte die Verbraucherzentrale das Fünffache der empfohlenen Höchstmenge.

Die Tester gaben im Begleittext an, unter chronischen Schlafstörungen zu leiden und ein wirksames und verträgliches Mittel zur dauerhaften Einnahme zu suchen. Sie baten um passende Hinweise. Solche Patientenanfragen verpflichten die Versandapotheken zu einer eingehenden Beratung und gegebenenfalls zum Einschreiten.

„Bestellen Kunden ein Präparat mit sedierender Wirkung gleich massenhaft, deutet dies auf Unkenntnis oder auf einen drohenden Missbrauch bezüglich der Einnahme hin. Versandapotheken müssen in einem solchen Fall die Abgabe verweigern. Dieser Pflicht ist bei unserer Untersuchung nur jede zehnte Versandapotheke nachgekommen“, kritisiert Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Besser beraten sein

Sechs Online-Händler versäumten den wichtigen Hinweis, dass das Medikament nur kurzfristig einzunehmen sei. Jeder dritte Versandhändler verzichtete auf den Rat zu dringendem Arztbesuch. Nur knapp 30 Prozent erkundigten sich nach der bisherigen Medikation. „Unterm Strich nehmen die Versandapotheken ihre Informations- und Beratungspflichten nicht ernst“, kommentiert Müller das Ergebnis des Testkaufs.

Als Fazit bleibt: Versandhändler ersetzen nicht die Beratung in der Apotheke vor Ort. Vor allem Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen oder ein neues Medikament zum ersten Mal verwenden, sind auf fachliche Hinweise angewiesen.  Ein Tipp für alle, die trotz Online-Bestellung nicht auf Beratung verzichten wollen: Viele Apotheken bieten es an, Medikamente im Netz vorzubestellen, zum Beispiel auf apotheken.de oder per App.

Autor*innen

Sandra Göbel/Verbraucherzentrale NRW | zuletzt geändert am um 11:15 Uhr