Stimmt’s oder stimmt’s nicht?

Gesundheitsmythen unter der Lupe

Alloy Photography/veer
Nicht alle gesundheitlichen "Weisheiten" entsprechen der Wahrheit. Besser beim Arzt oder Apotheker informieren.

Jeder von uns ist mit Gesundheitsmythen groß geworden, die sich hartnäckig halten. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Ratschlägen? Experten der Barmer GEK räumen mit Mythen rund um die Gesundheit auf.

Olivenöl ist besonders wertvoll

Marianne Rudischer, Ernährungsmedizinische Beraterin bei der Barmer GEK: „Für die Bewertung eines Öls spielt neben dem persönlichen Geschmack und dem Zubereitungszweck auch die Zusammensetzung der Nährstoffe eine Rolle. Hierfür sind der Gehalt an Vitamin E und die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (MUFS) entscheidend. Sie wirken sich zum Beispiel auf das Cholesterin und die Fließeigenschaften des Blutes aus. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können von unserem Körper nicht selbst aufgebaut und müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Ein hoher Anteil an MUFS ist unter anderem in Distelöl, Leinöl oder auch Sonnenblumenöl enthalten. MUFS werden durch Hitze teilweise zerstört. Deshalb sollte zum Beispiel Distelöl auch nicht erhitzt werden und eignet sich nicht zum Anbraten. Olivenöl hat im Vergleich zu vielen anderen Ölsorten zwar einen geringen Anteil an MUFS, dafür aber einen hohen Anteil einfach ungesättigter Fettsäuren und ist deshalb ebenfalls eine gute Alternative zu tierischen Fetten. Mein Tipp ist eine Mischung aus 250 ml Sonnenblumenöl und je 125 ml Leinöl und Olivenöl. Diese Ölmischung enthält eine besonders gute Zusammensetzung der wichtigsten Fettsäuren.“

Wunden heilen besser an der Luft

Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer GEK: „Wunden heilen in drei Phasen. Unmittelbar nach der Verletzung ziehen sich die Blutgefäße zunächst zusammen, um die Blutung zu stoppen. Das nachfolgend produzierte Wundsekret enthält Enzyme, die die Wunde reinigen und Schmutzpartikel entfernen. Für den dauerhaften Verschluss werden Gerinnsel gebildet, die die Wunde abdecken (Kruste). In der zweiten Phase wachsen von den Wundrändern aus Zellen in die Verletzung, die die Wunde verschließen. In der dritten Phase wird das Gewebe restrukturiert und gefestigt. Ob eine Wunde nun besser an der Luft heilt oder nicht, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Denn das hängt von der Art der Wunde ab. Vor allem bei tiefen und großflächigen Wunden wird heute das Prinzip der feuchten Wundbehandlung mit geschlossenem Verband propagiert, da diese Art des Wundmanagements die Arbeit des Wundsekrets und das Zellwachstum unterstützt. Oberflächliche Bagatellverletzungen heilen gut an der Luft, können aber nach vorsichtiger Reinigung auch durch ein Pflaster abgedeckt werden, um sie beispielsweise vor Reibung durch Kleidung zu schützen. Die dadurch verabreichten Streicheleinheiten spenden eine zusätzliche Portion Trost.“

Ein "Muskelkater" ist nicht gefährlich!

Klaus Möhlendick, Sportwissenschaftler bei der Barmer GEK: „Muskelkater ist die Reaktion des Körpers auf eine Überlastung der Muskeln. Dabei entstehen feine Risse in der Muskelfaser, sogenannte Zerreißungen mit Entzündungsreaktionen. Muskelkater ist nicht gefährlich, der Körper braucht dennoch Zeit und Ruhe, um sich zu regenerieren. Meistens ist der Muskelkater nach zwei bis drei Tagen vorbei. Bis dahin sollte man den beanspruchten Muskeln Ruhe gönnen und Wärmeanwendungen bevorzugen statt den nächsten Dauerlauf anzugehen. Aufwärmen, Dehnen und Massagen werden vorbeugend zwar eingesetzt, aber ohne dass es klare Beweise für ihre Wirkung gibt. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, große Kräfte und Bewegungsausschläge am Anfang einer sportlichen Aktivität zu vermeiden und die Belastung nur langsam zu steigern, bis die Koordination verbessert ist. Denn: Wer regelmäßig trainiert, bekommt seltener einen Muskelkater.“

Alkohol wärmt

Marianne Rudischer, Ernährungsmedizinische Beraterin bei der Barmer GEK: „Tatsächlich erweitert Alkohol die Blutgefäße und fördert die Durchblutung, wodurch ein Wärmegefühl entsteht. Trotzdem ist das ein Trugschluss! Der Körper verliert durch die verstärkte Durchblutung mehr Wärme an die kalte Umgebung. Der Alkohol verhindert die körpereigene Thermoregulation. Zum Aufwärmen eignen sich besser alkoholfreier Punsch, Ingwer- oder Schwarztee mit Zitrone, Kandis und Gewürznelken.“

Bei Nasenbluten soll man den Kopf in den Nacken legen

Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der Barmer GEK: „Wenn man den Kopf in den Nacken legt, kann das Blut durch den Rachen laufen und verschluckt werden. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch Übelkeit verursachen. Besser ist es, sich leicht nach vorn zu beugen und die Blutung mit einem sauberen Tuch aufzufangen. Da das Nasenbluten oft im vorderen Abschnitt der Nasenwand entsteht, ist es einen Versuch wert, die Nase mit Daumen und Zeigefinger fest zusammenzudrücken und so die Blutung zum Stillstand zu bringen. Hierfür muss die Nase so weit wie möglich breitflächig gefasst werden, so dass man mit den Fingern den knöchernen Teil der Nase tasten kann. Außerdem kann es helfen, sich eine kalte Kompresse in den Nacken zu legen. Dadurch verengen sich die Blutgefäße und das Nasenbluten hört schneller wieder auf.“

Beim Sport beginnt die Fettverbrennung erst nach 20 Minuten

Klaus Möhlendick, Diplom-Sportwissenschaftler bei der Barmer GEK: „Das stimmt nicht. Von Trainingsbeginn an nutzt der Körper neben Kohlenhydraten auch Fette als Energielieferanten. Ausschlaggebend für die Fettverbrennung sind die Belastungsintensität und -dauer. Um möglichst lange trainieren zu können, muss im aeroben Bereich trainiert werden, wo sich Sauerstoffbedarf und -zufuhr die Waage halten. Wenn ich mich noch ohne Schwierigkeiten in ganzen Sätzen unterhalten kann, weiß ich, dass ich im aeroben Bereich trainiere. Grundsätzlich gilt auch: Wer trainierter ist, verbrennt auch mehr Fett. Und Abnehmen klappt nur bei einer negativen Energiebilanz: Entweder ich esse weniger, als ich verbrauche oder ich verbrenne mehr – durch einen erhöhten Bewegungsumfang – als ich esse! Die besten Ergebnisse erzielt man übrigens durch die Kombination von beiden Aspekten.“

Die Augen können beim Schielen stehen bleiben

Dr. Utta Petzold, Medizinerin bei der Barmer GEK: „Das ist ein Ammenmärchen, das die Kinder wohl vom Grimassenschneiden abhalten soll. Fakt ist: Ein absichtliches Verdrehen der Augen kann nicht zu einer dauerhaften Fehlstellung der Augen führen. Aber es gibt unterschiedliche Formen des Schielens und eine Vielzahl von Ursachen. So kann beispielsweise eine von Geburt an bestehende oder im Kindesalter auftretende Schielerkrankung zu einer funktionellen Sehschwäche führen. Auch eine angeborene Hornhautverkrümmung oder andere Erkrankungen des Auges können Ursache für eine solche Sehschwäche sein. Da diese Erkrankungen der Augen nicht immer offensichtlich sind, sollte beim geringsten Verdacht auf eine Sehschwäche, beispielsweise im Rahmen von  Vorsorgeuntersuchungen, eine augenärztliche Abklärung erfolgen. Je früher dann mit einer Therapie, zum Beispiel einer Brille oder dem Abkleben eines einzelnen Auges, begonnen wird, desto höher sind die Chancen auf eine Verbesserung des Sehvermögens.“

Ein Schnaps nach fettigem Essen hilft bei der Verdauung?

Marianne Rudischer, Ernährungsmedizinische Beraterin bei der Barmer GEK: „Das ist nicht richtig. Alkohol blockiert die Nerven im Gehirn, die für den Transport der Nahrung vom Magen in den Dünndarm verantwortlich sind. Die Entleerung des Magens wird dadurch behindert. Alkohol fördert die Verdauung also nicht, sondern verzögert sie. Besser ist es, von vornherein auf den Fettgehalt der Speisen zu achten. Eine Möglichkeit ist etwa, bei Gerichten, die mit Käse überbacken werden, die Hälfte des Käses durch Semmelbrösel zu ersetzen. Bei Öl, Butter oder anderen Fetten hilft es, sich nicht aufs Augenmaß zu verlassen, sondern mit einem Tee- oder Esslöffel abzumessen. Wer bei Pasta-Gerichten Fett sparen möchte, kann Sahne- oder Gorgonzolasauce durch eine Tomatensauce ersetzen. Nach einem fettreichen Essen ist ein Spaziergang das wirkungsvollste Mittel für die Verdauung.“

Lippenpflegestifte machen süchtig

Dr. Utta Petzold, Dermatologin bei der Barmer GEK: „Sucht ist das falsche Wort, denn die Substanzen in den Stiften selbst machen nicht abhängig. Unsere Lippen haben aber in der Regel kaum Talgdrüsen. Wer Pflegestifte benutzt, gewöhnt sich deshalb schnell daran, dass die Lippen immer feucht und geschmeidig sind – und cremt nach. Viele Bestandteile wie Paraffin oder Silikone stehen außerdem im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Aber auch das unbewusste Ablecken wohlschmeckender Lippenpflegestifte kann die Lippen austrocknen. Der Schutz der Lippen ist dennoch wichtig, zum Beispiel in punkto UV-Licht. Hierfür empfehle ich eine Creme oder einen Stift mit hohem Fettanteil und hohem Lichtschutzfaktor.“

Autor*innen

Sandra Göbel/Barmer GEK | zuletzt geändert am um 10:51 Uhr