Der Arzthaftungsprozess

Für den Erfolg eines Arzthaftungsprozesses ist es entscheidend, die Beweislast erfüllen zu können. Der Patient muss als Kläger grundsätzlich beweisen, dass er an einem Gesundheitsschaden leidet, den der beklagte Arzt durch einen Kunstfehler verursacht hat. Für diese haftungsbegründende Kausalität gilt der Strengbeweis (ein Gericht stellt den Sachverhalt fest, mit begrenzten Beweismitteln in einem formalisierten Verfahren) gemäß § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Sachverständigengutachten

Da der Patient als medizinischer Laie in der Regel aber Probleme mit der qualifizierten Darstellung komplizierter medizinischer Sachverhalte hat, sind in Arzthaftungsprozessen regelmäßig Sachverständigengutachten notwendig, um den Behandlungs- oder Organisationsfehler nachzuweisen. Der klageführende Patient und sein Anwalt können von sich aus ein solches Gutachten in Auftrag geben (Privatgutachten). Alternativ wird das Gericht einen Aufklärungsbeschluss fällen und ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben.

Den medizinischen Sachverständigengutachten kommt deshalb große Bedeutung zu. Leider wird deren Qualität nicht nur von Betroffenen, sondern auch von Patientenverbänden oft angezweifelt. Manchmal kennen sich Fachgutachter und beklagter Arzt persönlich, so dass Gefälligkeitsgutachten entstehen. Fachgutachter wollen auch nicht, dass ihr medizinisches Fachgebiet in die Kritik gerät, so dass der ärztliche Ermessensspielraum oft weit interpretiert wird. Schließlich ist jeder medizinische Gutachter Teil eines professionellen Netzwerks aus Ärztekammer und medizinischen Fachgesellschaften, was zu einer gutachterlichen „Ladehemmung“ führen kann

Beweislastumkehr

Von großer Bedeutung ist die Frage, wer den Nachweis eines Behandlungsfehlers erbringen muss. In der Regel ist dies der Patient. Unter folgenden Bedingungen kommt es jedoch zur Beweislastumkehr, wenn:

  • Der Patient abweichend vom jeweiligen medizinischen Standard behandelt wurde. Dann stellt die abweichende Behandlung objektiv einen Behandlungsfehler dar. Gelingt dem Patienten der Beweis dieser Abweichung, muss der beklagte Arzt die Abweichung fachlich rechtfertigen.
  • Der Patient im Krankenhaus nicht durch einen erfahrenen Facharzt behandelt wurde (Organisationsfehler). Die Klinik muss beweisen, dass es sich bei der aufgetretenen Komplikation nicht um einen Gesundheitsschaden handelt, da diese Konsequenz auch bei einem erfahrenen Facharzt aufgetreten wäre.
  • Der Patient nur unangemessen aufgeklärt wurde. Auch bei einem Aufklärungsfehler muss der Arzt beweisen, dass er den Patienten umfassend aufgeklärt hat. Alle diese Fälle bedeuten in der Praxis eine erhebliche Verbesserung der Rechtsposition des Patienten im Haftungsprozess.
  • Das Krankenhaus die Behandlung nur lückenhaft dokumentiert hat. Ein Dokumentationsmangel liegt vor, wenn Befunde und Feststellungen nicht gesichert wurden, obwohl deren Dokumentation nach medizinischem Standard zu erwarten ist, da sie für die fachlich kompetente Behandlung erforderlich ist.

Das Fehlen von Behandlungsaufzeichnungen stellt für sich noch keinen haftungsbegründenden Mangel dar. Wenn aber erforderliche Feststellungen über die Behandlungsmaßnahmen in der Dokumentation nicht vorhanden sind, so wird daraus geschlossen, dass diese Behandlungsmaßnahmen auch nicht erfolgt sind. Die Beweislast für das Gegenteil liegt beim beklagten Arzt.

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Autor*innen

PD. Dr. iur. Peter Merk, Dr. med. Herbert Renz-Polster, Dr. med. Arne Schäffler | zuletzt geändert am um 12:15 Uhr