Problem offen beim Arzt ansprechen

Tabuthema Stuhlinkontinenz

Schätzungsweise fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Stuhlinkontinenz. Die Ursachen reichen von Beckenbodenschwäche bis hin zum Schlaganfall. Betroffene schämen sich meist und verheimlichen ihr Leiden. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) informiert über die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten. Ursachen abklären

Normalerweise verschließt ein kompliziertes Schließmuskelsystem den Darmausgang. Bei Menschen mit Stuhlinkontinenz ist dieser Mechanismus gestört. Sie sind nicht in der Lage, die Ausscheidung ihres Stuhls bewusst zu kontrollieren. Die Gründe dafür können vielfältig sein. „Eine häufige Ursache ist beispielsweise eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, also jener Muskelgruppe, die die Ausgänge von Blase und Darm dicht hält“, erklärt Professor Dr. med. Peter Layer, Direktor des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg. Auch Verletzungen im Rahmen von Geburten oder Operationen sind mögliche Auslöser. „Bei Menschen mit Diabetes mellitus oder bei Schlaganfallpatienten kann die Nervenwahrnehmung am Darmausgang auch derart geschwächt sein, dass der Patient den Stuhldrang nicht mehr bemerkt“, fügt der Experte hinzu.

Die meisten Betroffenen trauen sich nicht, über ihr Problem zu reden und versuchen allein damit zurechtzukommen. Dabei ist der erste Schritt zur Besserung ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt. Dieser überweist den Patienten bei Bedarf an einen Gastroenterologen. Der Magen-Darm-Spezialist untersucht, ob eine chronische Darmerkrankung die Beschwerden verursacht oder der Schließmuskel verletzt ist. Abhängig von der Ursache kommen dann verschiedene Behandlungsmöglichkeiten in Frage.Ernährungsumstellung und Biofeedback In 25 Prozent der Fälle genügt es bereits, die Ernährung umzustellen. „Eine ballaststoffreiche Ernährung erhöht Volumen und Konsistenz des Stuhls, so dass dieser nicht mehr so leicht austreten kann“, berichtet Prof. Dr. Layer. Zusätzlich dazu gibt es spezielle Medikamente, die den Stuhl verfestigen oder die Darmaktivität verringern. Langfristig helfen gymnastische Übungen dabei, den Beckenboden und den Schließmuskel zu trainieren. Das so genannte Biofeedback verstärkt den Effekt. Über eine Sonde im After misst der Arzt die Spannung der Beckenbodenmuskulatur. „Patienten bekommen so ein besseres Gespür für ihre Muskulatur. Fast 80 Prozent der Behandelten lernen den Schließmuskel wieder zu kontrollieren“, macht der Experte den Betroffenen Hoffnung. Steuerung per Fernbedienung

Führen diese Möglichkeiten nicht zum Erfolg, kommen chirurgische Verfahren in Frage.  „Wenn beispielsweise ein Dammriss vorliegt, kann ein Chirurg den defekten Schließmuskel operativ korrigieren“, erklärt Prof. Dr. Layer. Eine Alternative ist die sakrale Nervenstimulation. Dabei setzt der Chirurg operativ Elektroden am Ausgang des Darmes ein, die den Schließmuskel stimulieren. Sie lassen sich bei Bedarf mit einer Fernbedienung steuern.

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07.10.2014 | Anne Jantos/ DGVS