Verbesserungen nach fünf Tagen

Musiktherapie bei Tinnitus

Ob Summen, Rauschen oder Piepen – Tinnitus kann das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. In einer Studie weist der Heidelberger Hirnforscher Christoph Krick nach, warum Musiktherapie gegen die lästigen Ohrgeräusche so wirksam ist.

Der Hirnforscher und Biologe Krick erklärt, dass der Tinnitus auf einer Fehlsteuerung des Gehirns beruht. Eine am Deutschen Zentrum für Musiktherapie (DZM) entwickelte Musiktherapie soll dazu dienen, diese aufzuheben.

Musiktherapie gegen Tinnitus

Dies geschieht in erster Linie über ein Hörtraining, dessen Funktionsmechanismus Krick anhand eines Klaviers erläutert: „wenn Sie dort einen Ton anschlagen, schwingen automatisch die Ober- und Untertöne mit, das sind Töne in anderen Oktaven. Die Tinnitus-Patienten können über das Nachsummen und Singen von Grundtönen zur meist höheren Tinnitus-Frequenz den fehlenden Ton im Gehirn rekonstruieren.“ Für die Betroffenen sei dies anfangs schwierig, fiele ihnen jedoch im Laufe der Therapie leichter. Ergänzt wird das Hörtraining durch Entspannungstechniken.

Die aktuelle Studie wurde anhand einer fünftägigen Kompaktversion der Therapie durchgeführt. Danach empfanden 80 Prozent der Teilnehmer den Tinnitus nicht mehr als quälend, bei 8 Prozent verschwand er völlig. Dr. Heike Argstatter, begleitete die Studie am DZM. Sie berichtet, dass noch nach drei Jahren der Therapieerfolg bestehen blieb, obwohl die Behandlung nur fünf Tage gedauert hatte. Daraufhin widmeten sich die Forscher der Frage, ob der Erfolg auf einen Umbau im Gehirn zurückzuführen sei.

Musiktherapie baut neue Hirnstrukturen auf

Für diese Untersuchung nahmen an der Therapie nicht nur Personen mit Tinnitus teil, sondern auch Menschen ohne Ohrgeräusche. Die Ergebnisse erklärt der Biologe wie folgt: „Bisher war man davon ausgegangen, dass Lernfortschritte nur die Aktivitäten im Gehirn verändern, also quasi eine neue Software aufspielen. Wir konnten jedoch nachweisen, dass schon nach wenigen Tagen die Denkzellen, die den Höreindruck verarbeiten, nachgewiesen sind. Es wurde sozusagen die Festplatte des Gehirns umgebaut und zwar dauerhaft.“ Je stärker die Strukturveränderungen im Gehirn, desto deutlicher wurde der Therapiefortschritt von den Patienten wahrgenommen. Neues Gewebe bildete sich ebenso bei den gesunden Teilnehmern: Und zwar in den Hirnrealen, die für die Stressverarbeitung und Entspannung mitverantwortlich sind. Die am DZM entwickelte Neuro-Musiktherapie ist folglich eine wirksame Behandlungsmethode bei Tinnitus.

Die wissenschaftliche Studie wurde in dem Online-Journal "Frontiers in Neurscience" unter dem Titel "Cortical reorganization in recent-onset tinnitus patients by the Heidelberg Model of Music Therapy" veröffentlicht.

Autor*innen

22.04.2015 | Julia Schmidt/Universität des Saarlandes