Mögliche Hilfe bei Darmerkrankungen

Wenn Hunger zu Darmstörungen führt

Eiweißmangel  führt zu Störungen des Immunsystems, Durchfall und Darmentzündungen. Forscher am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie entdeckten den Mechanismus dahinter.

Eiweißmangel macht darmkrank

Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen mangelernährt, in Europa
sind es etwa 30 Millionen. Bei einem Mangel an Eiweiß kommt es zu Störungen des Immunsystems, Durchfall und Darmentzündungen, die den Körper schwächen und oft zum Tod führen. Ärzte und Wissenschaftler beobachten diesen Zusammenhang seit mehr als hundert Jahren. Wie der Mechanismus funktioniert, wusste man bisher kaum.

Ein Forscherteam um Josef Penninger, Direktor am Institut für Molekulare Biotechnologie, ging dieser Frage nach. Die Forscher untersuchten das Enzym ACE2, das an Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Herzversagen beteiligt ist. Sie entdeckten eine neue Funktion von ACE2: Das Enzym reguliert die Aufnahme der Aminosäure Tryptophan aus dem Darm. Selbst Studienleiter Penninger war überrascht: „Seit mehr als zehn Jahren forsche ich bereits an diesem Enzym, aber dass wir hier einen komplett neuen Zusammenhang zwischen ACE2 und der Aminosäure-Balance im Darm finden würden, hat mich verblüfft.“

Darmerkrankungen mit Tryptophan heilen?

Im gesunden Organismus bleibt ein Teil des aufgenommenen Tryptophans in der Darmschleimhaut und fördert dort die Abwehr von Bakterien. Zu wenig Tryptophan bedeutet demnach zu wenige Abwehrstoffe. Mäuse, die das Enzym ACE2 nicht besitzen, können kaum Tryptophan aus dem Darm aufnehmen und entwickeln Symptome einer Eiweiß-Mangelernährung: Immunschwäche, Durchfall, Darmentzündungen.

Die Forscher fanden heraus, dass die vermehrte Zugabe von Tryptophan Darmentzündungen bei den Mäusen linderte. Die Darmflora der Tiere normalisierte sich wieder, Entzündungen gingen zurück und die Mäuse zeigten sich weniger anfällig für weitere Darmentzündungen. Penninger sieht darin eine große Chance für eine medizinische Anwendung: „Menschen, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden, könnte man mit diesem neuen Therapieansatz möglicherweise helfen. Zudem wären Nebenwirkungen durch die verstärkte Zufuhr einer ohnehin in der Nahrung vorkommenden Aminosäure kaum zu befürchten.“ Nun hoffen die Forscher auf einen Erfolg in klinischen Studien, denn allein in Österreich leiden etwa 80.000 Menschen an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, wie Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn.

Autor*innen

01.08.2012 | Julia Heiserholt