Identitätsverlust hinauszögern

Alzheimer: Erinnerungsanker hilft

Wer an Alzheimer erkrankt, verliert im fortgeschrittenen Stadium zunehmend seine Identität. Um diesem Verlust vorzubeugen, helfen Erinnerungsanker. Das meldet die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychatrie und -psychotherapie (DGGPP).

Vergangenheit festhalten

Eine Alzheimer-Demenz ist vom Verlust verschiedener kognitiver und sozialer Fähigkeiten und Gedächtnisverlust gekennzeichnet. Daneben sind Denkvermögen, Sprache, Orientierung und das Urteilsvermögen beeinträchtigt. Auch die Persönlichkeit der Erkrankten verändert sich: Sie sind oft gereizt, nervös und rastlos.

Im frühen Stadium von Alzheimer können Betroffene ihre Alltagsaufgaben noch weitgehend selbstständig bewältigen. Im mittleren Stadium der Erkrankung finden sie sich immer weniger zurecht, sie können sich kaum noch etwas merken. Die Erinnerung an Erlebnisse und wichtige Personen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte wird schwächer. „Um dem fortschreitenden Identitätsverlust entgegenzuwirken, kann es hilfreich sein, den Betroffenen mit Erinnerungen aus seiner Vergangenheit anzuregen. Durch gemeinsames Betrachten alter Fotoalben, das Hören alter Musikstücke oder gemeinsamem Lesen von Buchtexten geliebter Schriftsteller kann die Identität des Kranken länger erhalten bleiben.

Zudem weckt es in dem Betroffenen das Gefühl der Kompetenz, weil ihm die erhaltenen Erinnerungen kleine Erfolgserlebnisse und Sicherheitsgefühle schaffen“, erklärt Dr. Martin Haupt, Vizepräsident der DGGPP. Positive Erinnerungen steigern das allgemeine Wohlbefinden. „Als so genannte Erinnerungsanker können neben Fotos auch Lieder, Gerüche und Gerichte dienen, die mit bestimmten Lebensabschnitten in Verbindung stehen.“

Selbstbewusstsein stärken
Mit dem Fortschreiten der Erkrankung können selbst engste Familienmitglieder aus dem Gedächtnis verschwinden. Dieses Entschwinden aus der Gegenwart ist dem Betroffenen selbst nicht bewusst, für Angehörige und Freunde jedoch eine schmerzliche Erfahrung. An bestimmte Geschehnisse aus der Kindheit und Jugend können sich Erkrankte im mittleren Stadium hingegen schlagartig erinnern. Sie empfinden dann häufig, als hätten sie diese gerade erst erlebt.

„Die Wiedererinnerungen können dem Betroffenen helfen, sich in seiner eigenen Erinnerung wieder zu Hause fühlen. Auch fällt es ihm so leichter, sein eigenes Leben als etwas Einmaliges und Wertvolles wahrzunehmen“, ergänzt der Gerontopsychiater. „Grundsätzlich ist es daher ratsam, bei Erkrankten diejenigen Fähigkeiten anzusprechen, die noch erhalten geblieben sind – wie das Langzeitgedächtnis.“

Autor*innen

11.09.2012 | Julia Heiserholt