Neue Richtlinien zeigen Wirkung

ADHS: Weniger Tabletten verordnet

Bei der Behandlung von jungen ADHS-Patienten verschreiben Ärzte in Deutschland seltener Arzneimittel. Das teilt die Techniker Krankenkasse (TK) mit dem Hinweis auf eine Auswertung ihrer Arzneidaten mit. Experten begrüßen die stärkere Zurückhaltung in der Arzneimittelgabe, da der eingesetzte Wirkstoff als nebenwirkungsreich gilt.

600.000 junge Patienten

Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) leiden unter einer ausgeprägten Bewegungsunruhe mit starkem Aktivitätsdrang, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie impulsivem Verhalten. Kommt das Syndrom ohne Hyperaktivität vor, bezeichnet man es als ADS. Laut Robert Koch-Institut sind bundesweit rund 600.000 Kinder und Jugendliche von ADHS oder ADS betroffen.

Verschreibungen erstmals seit Jahren gesunken

Als Teil der Behandlung verschreiben viele Ärzte Psychopharmaka mit dem Wirkstoff Methylphenidat, auch Ritalin genannt. Von 2006 bis 2009 stieg die Zahl der mit ADHS-Medikamenten behandelten Kinder und Jugendlichen um 32 Prozent an. Dieser Trend änderte sich: Zwischen 2009 und 2012 ist die Anzahl an Verschreibungen bundesweit gesunken – bei Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 17 Jahren um durchschnittlich 3,4 Prozent.

Umstrittene Langzeitfolgen von Ritalin

„Offenbar ist die Vorsicht bei einer medikamentösen Behandlung von ADHS gewachsen“, begrüßt Dr. Edda Würdemann, Apothekerin bei der TK, diese Entwicklung. Denn die Langzeitfolgen von Ritalin sind noch nicht erforscht und die Nebenwirkungen sehr umstritten. Es drohen Angstzustände oder Appetitlosigkeit. Studien zeigen zudem, dass das Medikament das Wachstum der Kinder beeinträchtigen kann.

Diagnose vom Spezialisten

Angesichts der starken Verschreibungszuwächse bis zum Jahr 2009 legte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Dezember 2010 in seinen Arzneimittelrichtlinien fest, dass Ärzte Medikamente wie Ritalin nur noch nach sehr strengen Maßstäben verschreiben dürfen. Laut G-BA muss die Diagnose ADHS umfassender als bisher gestellt werden und darf nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen. Außerdem sehen die Richtlinien vor, dass der Arzt die Therapie regelmäßig unterbricht, um die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Kinder zu beurteilen. Experten führen die sinkenden Verschreibungszahlen entscheidend auf die greifenden Richtlinien zurück.

Autor*innen

03.04.2014 | Sandra Göbel/TK