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Multiple Sklerose (MS)

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Nicht jeder MS-Betroffene landet zwangsläufig im Rollstuhl.

Multiple Sklerose (MS, Encephalomyelitis disseminata, ED): Abrupt oder schleichend einsetzende, oft in Schüben verlaufende, chronisch-entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, die durch eine herdförmige Entmarkung von Nervensträngen gekennzeichnet ist. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, Frauen erkranken häufiger als Männer. In den westlichen Industrieländern ist die Multiple Sklerose bei den unter 50-Jährigen die häufigste chronische neurologische Erkrankung, in Deutschland gibt es rund 120.000 Betroffene.

Der Krankheitsverlauf variiert von (scheinbaren) Heilungen bis hin zu rasch eintretender Invalidität; insgesamt ist er günstiger als meist vermutet: Zwei Drittel der Betroffenen werden bei frühzeitigem Therapiebeginn auch nach langem Verlauf nicht pflegebedürftig, wobei die Prognose der schubförmigen Verlaufsform besser ist als die der progredienten.

Leitbeschwerden

  • Empfindungsstörungen, vor allem Taubheitsgefühl ("Pelzigsein"), Kribbelgefühl ("Ameisenlaufen"), vermindertes Berührungsempfinden
  • Sehstörungen (meist einseitig), insbesondere verschwommenes Sehen, Doppelbilder, häufig auch Augenschmerzen
  • Schwächegefühl und Lähmungen, häufig in den Beinen, möglicherweise mit unsicherem, breitschrittigem (breitbasigem) Gangbild ("Seemannsgang")
  • Anhaltende Müdigkeit und Abgeschlagenheit (Fatigue)
  • Sprechstörungen, vor allem undeutliche, "abgehackte" Sprache
  • Eventuell Blasen- und/oder Mastdarmfunktionsstörungen.

Art und Intensität der Symptome sind individuell unterschiedlich, je nachdem, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind.

Wann in die Arztpraxis

Am nächsten Tag, wenn

  • nicht erklärbare Empfindungsstörungen und/oder Schwächegefühle in den Beinen auftreten oder man selbst oder andere meinen, die Sprache oder der Gang habe sich verändert.

Heute noch, wenn

  • man auf einmal das Gefühl hat, schlechter zu sehen oder (leichte) Lähmungen auftreten.

Sofort, wenn

  • starke Sehstörungen auftreten oder die Blasen- oder Darmkontrolle beeinträchtigt sind.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Die Informationen im Nervensystem werden über lange, dünne Nervenzellfortsätze weitergeleitet, die von einer isolierenden fetthaltigen Markscheide (Myelinscheide) umgeben sind. Infolge des Autoimmunprozesses zerstören körpereigene Abwehrzellen diese Markscheiden (Demyelinisierung) und führen an vielen Stellen in Gehirn und/oder Rückenmark zu einer Entzündung. Dadurch ist die Informationsleitung an diesen Stellen erschwert oder gar unmöglich. Sind kritische Stellen von diesem "Informationsstopp" betroffen, erfolgen Ausfälle wie etwa Sehstörungen. Es kann aber auch sein, dass der Entzündungsherd (Plaque) völlig unbemerkt bleibt. Im weiteren Verlauf klingt die Entzündung wieder ab, die Beschwerden bessern sich oder verschwinden sogar wieder, bis nach Monaten oder Jahren ein neuer Entzündungsherd mit entsprechenden Beschwerden entsteht. In diesem Fall spricht man von der schubförmig remittierenden Verlaufsform der MS, die mit rund 85 % am häufigsten ist. Was den einzelnen Schub ausgelöst hat, bleibt in aller Regel unklar.

Mit der Zeit können die Nervenfortsätze selbst zugrunde gehen, aber auch eine Narbenbildung als Reaktion auf die Entzündung verschlechtert die Informationsweiterleitung. Dies könnte erklären, warum bei nicht wenigen Betroffenen nach anfänglich schubförmigem Verlauf die Beschwerden nach Jahren zunehmen, ohne dass Schübe nachweisbar sind. Hier spricht der Arzt von der sekundär progredienten MS, die immer als schubförmig remittierende Form beginnt und daher als das zweite Stadium der Erkrankung angesehen wird. Wird rechtzeitig therapiert, lässt sich der Übergang zum sekundär progredienten Stadium hinauszögern.

Die zweithäufigste Form (15 % aller Betroffenen) ist die primär progrediente MS. Erste Symptome zeigen sich hier meist um das 40. Lebensjahr. Hier fehlen die klassischen Schübe, vielmehr nehmen die Beschwerden von Beginn der Erkrankung an langsam, aber stetig zu.

Die mit knapp 2 % seltenste Form ist die sogenannte fulminant verlaufende MS, die auch als maligne MS oder Marburg-Variante bezeichnet wird und an der vor allem jungen Menschen erkranken. Typisch ist der rasante Verlauf, der innerhalb weniger Wochen bis Monate zum Tode führen kann.

Klinik

Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, an welcher Stelle sich der Entzündungsherd befindet. Im Prinzip sind also sehr viele Krankheitszeichen möglich, doch kommen einige Störungen besonders häufig vor, so z. B. Seh- und Empfindungsstörungen zu Beginn der Erkrankung. Meist sind die Beschwerden leicht und dauern nur kurz, sodass sie oft fehlgedeutet werden.

Im Laufe der Jahre treten bei über 80 % der Betroffenen Lähmungen auf, die unterschiedlich stark sind. Rumpfferne Extremitätenabschnitte sind häufiger betroffen als rumpfnahe, die Beine stärker als die Arme. Typischerweise ist dabei die Muskelgrundspannung zu hoch (spastische Lähmung), was Bewegungen zusätzlich erschwert. Auch ist die Feinabstimmung der Bewegungen gestört; dies zeigt sich z. B. durch undeutliches oder "abgehacktes" Sprechen, zittrige oder überschießende Bewegungen.

Anfangs ebenfalls selten, aber mit zunehmender Erkrankungsdauer häufiger, sind Störungen der Blasenfunktion, vor allem ein plötzlicher Harndrang, der so heftig werden kann, dass die Betroffenen nicht mehr rechtzeitig die Toilette erreichen. Typisch sind auch Störungen der Sexualfunktion.

Psychische Veränderungen wie Euphorie, depressive Verstimmungen und Konzentrationsstörungen sind möglich und in ihrer Häufigkeit schwerer zu beziffern als "messbare" Beschwerden. Als charakteristisch für Multiple Sklerose gilt die sogenannte Fatigue – eine erhöhte Müdigkeit, die so stark sein kann, dass Betroffene nicht mehr arbeitsfähig sind.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Multiplen Sklerose ist nach wie vor unklar. Nach heutigem Kenntnisstand führen äußere Einflüsse auf dem Boden einer erblichen Veranlagung zu Autoimmunprozessen ("Selbstbekämpfungsvorgängen") in Gehirn und Rückenmark, die dann 10–20 Jahre später in die Erkrankung münden.

Welches Gewicht dabei der erblichen Veranlagung und welches den äußeren Faktoren zukommt, kann nicht genau benannt werden. Wahrscheinlich spielt die erbliche Veranlagung die weit geringere Rolle. Obwohl enge Verwandte ein höheres Krankheitsrisiko haben, ist dieses in absoluten Zahlen gering (etwa 1 %).

Auch über die äußeren Einflüsse, die den Autoimmunprozess in Gang setzen, ist wenig bekannt. Studien legen nahe, dass sie in den ersten 15–20 Lebensjahren einwirken. Die wahrscheinlichsten Faktoren sind Infektionen, vor allem Virusinfektionen. So deuten beispielsweise mehrere Untersuchungen darauf hin, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus – dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers – im frühen Kindes- oder Jugendalter das Risiko für eine MS-Erkrankung erhöht. Eindeutige Belege hierfür fehlen aber bislang.

Auch Rauchen und erniedrigte Vitamin-D-Werte werden als Risikofaktoren diskutiert.

Diagnosesicherung

Besteht nach einer neurologischen Untersuchung ein Anfangsverdacht, sollen die evozierten Potenziale und ein Kernspin des Gehirns und/oder des Rückenmarks weitere, bis dahin unbemerkte Herde aufdecken, wobei Herde an verschiedenen Stellen des zentralen Nervensystems ein wesentliches Diagnosekriterium sind.

Kernspin eines 40-jährigen Mannes mit einem akuten MS-Schub (links Querschnitt, Mitte Längsschnitt durch das Gehirn). Die großflächigen Entzündungsherde sind als Aufhellungen zu sehen. Das Kernspintomogramm rechts zeigt einen Längsschnitt durch die Wirbelsäule und das Rückenmark. Hier lassen sich derzeit keine Entzündungsherde feststellen.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Da das klinische Bild zunächst selten wirklich eindeutig ist, und die Diagnose Multiple Sklerose folgenschwer ist, wird die definitive Diagnose in der Praxis nur gestellt, wenn durch Folgeuntersuchungen eine Reihe von Kriterien erfüllt werden:

  • Nachgewiesene Entzündungen zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedlichen Stellen in Gehirn und/oder Rückenmark. Denn es gibt nicht wenige Menschen, die nur einmal in ihrem Leben Multiple-Sklerose-verdächtige Beschwerden haben und bei denen sich trotz Ausschöpfung der heutigen diagnostischen Möglichkeiten nicht feststellen lässt, woher diese rühren. Hier sprechen die Ärzte von einem sogenannten klinisch isolierten Syndrom (KIS, englisch CIS)
  • Der Nachweis einer verzögerten Erregungsleitung in den evozierten Potenzialen, die mit der MS-typischen Nervenschädigung korrespondiert
  • Zellvermehrungen im Liquor (Flüssigkeit, die das Gehirn und Rückenmark umgibt) als Ausdruck der Entzündung und/oder Immunglobuline, die im Blut fehlen. Hier sprechen die Ärzte von A:36e91oligoklonalen Banden des Immunglobulin G (IgG). Das sind bestimmte Verteilungsmuster, die sich mit einem speziellen Untersuchungsverfahren nachweisen lassen. Oligoklonale Banden sind jedoch kein sicherer Beweis für eine Multiple Sklerose, sondern bedeuten nur, dass im Zentralnervensystem selbst Immunglobuline gebildet worden sind
  • Der Ausschluss anderer infrage kommender Erkrankungen wie etwa eine Borreliose durch Blutuntersuchungen.

Behandlung

Ziele der Behandlung sind das möglichst rasche Abklingen der Beschwerden im Schub, die Unterdrückung weiterer Schübe, die Bekämpfung belastender Beschwerden und das Verhindern von Komplikationen. Wichtigste Säule der Therapie ist der Einsatz von Medikamenten; physiotherapeutische Maßnahmen helfen, (zurückbleibende) Störungen zu mindern.

Bei der medikamentösen Behandlung unterscheidet man zwischen der Schubtherapie, also der kurzfristigen Behandlung akuter MS-Schübe, und der verlaufsmodifizierenden Therapie, die als Langzeitbehandlung ausgerichtet ist und sowohl die Häufigkeit als auch die Schwere der Schübe reduzieren soll. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn ist entscheidend, um das Fortschreiten der Beschwerden zu verlangsamen. Im Idealfall wird bereits beim ersten MS-Schub sofort eine Therapie eingeleitet.

Schubtherapie

Standardmedikamente in der Schubtherapie sind (Glukokortikoide). Da sich Kortison und andere Glukokortikoide nur in der Stärke, nicht jedoch in der Wirkungsweise unterscheiden, bleiben wir im Folgenden beim Begriff Kortison. Oft verkürzt Kortison einen MS-Schub, indem es entzündungshemmend wirkt. Da eine Wirkung auf den Langzeitverlauf nicht belegt ist, Kortison aber gerade bei Dauereinnahme Nebenwirkungen hat, wird es in der Langzeitbehandlung der MS nicht eingesetzt.

So werden im akuten Schub möglichst frühzeitig nach Beginn der Beschwerden hochdosierte Kortisoninfusionen über wenige Tage verabreicht. Bei unzureichendem Erfolg kann die Behandlung nach zwei Wochen wiederholt werden. Anschließend ist eine Tabletteneinnahme für etwa zwei Wochen möglich.

Hilft auch die zweite Serie von Infusionen nicht oder verschlimmern sich die Beschwerden sogar, kann eine Plasmapherese (Plasmaaustauschbehandlung) vorgenommen werden, die aber nur in speziellen Zentren möglich ist. Dabei wird das Blut des Patienten ähnlich wie bei der Dialyse durch eine Maschine geleitet, sodass die flüssigen Bestandteile des Bluts (das sogenannte Plasma) entfernt und durch eine Eiweißlösung ersetzt werden. Bei dieser Methode werden im Blut gelöste schädliche Abwehrstoffe entfernt.

Verlaufsmodifizierende Therapie

Ziel der verlaufsmodifizierenden Therapie ist es, sowohl die Schwere und Häufigkeit der Schübe zu reduzieren als auch die Langzeitprognose zu verbessern. Dabei werden Medikamente eingesetzt, die das Abwehrsystem verändern – und damit die mutmaßliche Ursache der MS bekämpfen. Auch hier sollte möglichst früh mit der Behandlung begonnen werden, bestenfalls schon nach dem ersten Schub. In Deutschland sind hierfür eine Reihe von Medikamenten zugelassen. Ausführliche Informationen zu den Wirkstoffen und Wirkstoffmechanismen finden sich im Sondertext: Verlaufsmodifizierende Therapie der Multiplen Sklerose.

Beschwerdelinderung und Komplikationsvermeidung

Es kommt vor, dass sich einmal aufgetretene Beschwerden nicht mehr vollständig zurückbilden. Ein Großteil kann jedoch medikamentös gelindert werden, so etwa die Spastik oder heftiger Harndrang.

Medikamente der ersten Wahl bei der Therapie der Spastik sind die Wirkstoffe Baclofen und Tizanidin. Wirken diese Medikamente nicht, steht MS-Patienten ein cannabishaltiges Spray (Sativex®) zur Verfügung, das auf die Mundschleimhaut gesprüht wird und bei mittleren bis schweren Krampfzuständen hilft. Sativex® enthält zwar THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) – den psychoaktiven Inhaltsstoff der Cannabis-Pflanze –, löst aber keine rauschartigen Zustände aus. Grund dafür ist die Kombination mit der Substanz Cannabidiol. Eine zusätzliche Option sind Injektionen mit Botulinus-Toxin (Botox). Diese machen aber nur Sinn, wenn die Spastik zwar sehr heftig, aber lokal begrenzt ist (z. B. Oberschenkelinnenmuskulatur)

Zur Verbesserung der Gehfähigkeit und Gehstrecke hat sich Aminopyridin bewährt.

Beckenbodengymnastik und ein fester Trinkplan helfen dabei, wieder mehr Kontrolle über die Blasenfunktion zu erlangen. Auf keinen Fall sollten Betroffene aber das Trinken zu stark reduzieren, nur um ihren Harndrang besser kontrollieren zu können.

Bei koordinativen Störungen oder Sprachstörungen hat sich als sinnvoll erwiesen, frühzeitig mit begleitenden Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie oder einer logopädischen Behandlung zu beginnen, da hierdurch die Beschwerden deutlich verbessert werden können. Die Therapie wird auf die Probleme jedes einzelnen Patienten zugeschnitten, wobei Bewegungsübungen möglichst in den Alltag integriert werden.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Die zwei Buchstaben MS stehen für Angst und Unsicherheit: Welche Auswirkungen wird die Erkrankung auf mein alltägliches Leben und meine Zukunftspläne haben? Muss ich meinen Beruf aufgeben? Was bedeutet meine Erkrankung für die Familie? Werde ich über kurz oder lang zum Pflegefall? Tatsächlich kann niemand vorhersagen, welche Einschränkungen und Folgeerscheinungen im Einzelfall zu erwarten sind – dafür ist der individuelle Krankheitsverlauf zu unterschiedlich. Diese Ungewissheit ist mindestens ebenso belastend wie die Bewältigung der Beschwerden.

  • Versuchen Sie, Ihre Erkrankung anzunehmen! Konzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, nicht auf die mit der Erkrankung verbundenen Beeinträchtigungen. Auch in Beruf und Privatleben sollten Sie sich nicht mehr Einschränkungen auferlegen als unbedingt nötig.
  • Wenn Sie Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht, darum zu bitten und sie anzunehmen.
  • Bleiben Sie so aktiv, wie Sie können. Es spricht z. B. nichts dagegen, regelmäßig Sport zu treiben oder zu reisen – achten Sie aber darauf, dass Sie die Grenze Ihrer Belastbarkeit nicht überschreiten.
  • Stress kann Schübe auslösen. Finden Sie heraus, welche Stressfaktoren für Sie ungünstig sind. Um Stress abzubauen helfen auch Entspannungsverfahren.
  • Multiple Sklerose ist kein Grund, auf Kinder zu verzichten. Generell sollte eine Schwangerschaft in Rücksprache mit dem Neurologen und dem Frauenarzt geplant werden, da die MS-Medikamente rechtzeitig geändert oder abgesetzt werden müssen.

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und Freunden über Ihre Gefühle und Sorgen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, die praktischen Probleme zu lösen.

Ernährung.

Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung mit reichlich pflanzlichen Produkten, ausreichend Fisch und wenig Fleisch ist die beste Ernährungsform für Multiple-Sklerose-Betroffene. Einige alternative Heilverfahren schreiben zwar rigide Diätvorschriften oder teure Spezialnahrung vor, aber bisher konnten weder eine spezielle (MS-)Diät noch die Einnahme von hoch konzentrierten Pflanzenextrakten, Vitaminen oder speziellen Nahrungsergänzungsmitteln eine nachhaltige Besserung oder gar Heilung bewirken. Falls Sie dennoch bestimmte Ernährungsprogramme ausprobieren möchten: Achten Sie darauf, dass der tägliche Nährstoffbedarf gedeckt wird und mit der Diät keine unzumutbare Einschränkung Ihrer Lebensqualität verbunden ist. Wenn Sie unsicher sind, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob auch er eine Änderung Ihrer Ernährungsgewohnheiten befürwortet.

Rauchen sollte tabu sein.

Regelmäßiger Nikotinkonsum ist nicht nur für Herz, Kreislauf und Atemwege schädlich, sondern scheint auch den Verlauf einer Multiplen Sklerose zu verschlechtern.

Infektionen können Schübe auslösen.

Lassen Sie sich deshalb regelmäßig gegen Grippe impfen, verzichten Sie im Zweifelsfall auf einen Besuch bei einem erkrankten Gastgeber und vermeiden Sie in Grippezeiten allzu häufiges Händeschütteln. Sich aus Angst vor Infektionen zu isolieren, ist allerdings auch nicht sinnvoll.

Wärme meiden.

Auch wenn hohe Temperaturen die Krankheit selbst nicht verschlimmern können, verursacht Wärme bei vielen Betroffen eine vorübergehende Verschlechterung der Beschwerden. Deshalb sollten Sie längere Aufenthalte in der Sonne meiden, besonders anstrengende Tätigkeiten auf kühlere Tageszeiten verlegen, auf Saunabesuche verzichten und mit lauwarmem Wasser baden oder duschen. Auch bei der Wahl des Urlaubsgebiets sollte die Temperatur berücksichtigt werden.

Impfungen abklären.

Impfungen beeinflussen zwar das Immunsystem, wirken sich nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht auf den Krankheitsverlauf aus. Klären Sie aber trotzdem jede Impfung mit Ihrem Arzt und besprechen Sie mit ihm den günstigsten Zeitpunkt – bei einer medikamentösen Unterdrückung der Abwehr bleibt die Impfung eventuell wirkungslos oder darf gar nicht durchgeführt werden.

Tipps für Angehörige: Auch die Angehörigen müssen damit klarkommen, dass der Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose nicht vorhersehbar und damit nicht "planbar" ist. Im Idealfall ist der Kranke auch noch Jahre nach Krankheitsbeginn so wenig beeinträchtigt, dass er weiterhin seinen Beruf ausüben und seine Rolle in der Familie ausfüllen kann. Es kann aber auch sein, dass er pflegebedürftig oder sogar bettlägerig wird und auf eine Rundum-Betreuung angewiesen ist. Sobald sich eine solche Entwicklung abzeichnet, sollten Sie eruieren, welche Hilfen Ihnen zur Verfügung stehen. Die Bandbreite reicht von ambulanten Diensten über teilstationäre Tages- oder Nachtpflege bis hin zur vollstationären Betreuung in einem Pflegeheim. Auch der – zeitlich begrenzte – Aufenthalt in einem spezialisierten Rehabilitationszentrum kann in Betracht kommen, allerdings sollte vorher geklärt sein, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt.

Generell sollten Sie – solange es geht und ohne den Betroffenen zu überfordern – dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe" folgen: Bestärken Sie den Kranken immer wieder darin, seine vorhandenen Fähigkeiten in die Bewältigung des Alltags einzubringen und nehmen Sie ihm nur so viel ab wie unbedingt nötig.

Komplementärmedizin

Naturheilverfahren, Bewegungs- und Entspannungsübungen haben keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose. Einige können aber nachgewiesenermaßen bestimmte Symptome lindern und dadurch die Lebensqualität verbessern.

Pflanzenheilkunde.

Einige Betroffene berichten von einem günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf durch die regelmäßige Einnahme von Ginkgo-Extrakt (in Tropfen- oder Tablettenform). Demgegenüber kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Ginkgo weder die Schubrate senken noch den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Es gibt allerdings Hinweise, dass Ginkgo sich positiv auf kognitive Störungen auswirken könnte. Da hoch konzentrierte Pflanzenextrakte ebenso wie synthetisch hergestellte Medikamente Nebenwirkungen haben können, muss das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko sorgfältig abgewogen werden.

Vorsicht ist beim eigenhändigen Konsum von Cannabis geboten, dem u. a. eine nervenschützende Funktion nachgesagt wird. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Pflanze bei MS einen unerwünschten entzündungsfördernden Effekt hat. Auf medizinisch geprüfte Medikamente mit Cannabis-Wirkstoffen trifft das natürlich nicht zu.

Fußreflexzonenmassagen.

Fußreflexzonenmassagen haben sich bei Blasen-, Sensibilitäts- und motorischen Störungen bewährt. Ihre therapeutische Wirksamkeit bei diesen Begleiterscheinungen wurde inzwischen wissenschaftlich bestätigt.

Yoga.

MS-Patienten, deren körperliche Leistungsfähigkeit es erlaubt, regelmäßig Yoga auszuüben, profitieren insbesondere von den Übungen, die darauf abzielen, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit zu verbessern sowie psychische Anspannung abzubauen. Außerdem wirkt Yoga bei Müdigkeit und Erschöpfung. Durch Atemübungen können Sie einer abnehmenden Atemkapazität entgegenwirken. Wichtig ist, dass Sie Ihre persönliche Leistungsgrenze kennen und akzeptieren.

Qigong, Tai Chi und Feldenkrais.

Qigong, Tai Chi und Feldenkrais helfen beim Abbau von Stress, der Steigerung des Körperbewusstseins und dem Erhalt der Beweglichkeit.

Akupunktur.

Akupunktur kann im Anfangsstadium die Beschwerden lindern. Welche Akupunkturpunkte genadelt werden, richtet sich nach den individuellen Symptomen.

Homöopathie.

Manche Betroffene berichten von positiven Effekten durch individuell abgestimmte Konstitutionsbehandlung aus der Homöopathie. Wenn es guttut, ist gegen eine solche Begleittherapie nichts einzuwenden – niemals sollte sie aber eine Therapie mit erprobten schulmedizinischen Medikamenten ersetzen.

Als äußerst kritisch zu bewerten sind alle Ansätze, bei denen tierische Substanzen gespritzt werden, etwa "Frischzellen" oder Thymusextrakte. Hier besteht, wie bei allen Fremdeiweißen, die Gefahr einer allergischen Reaktion und je nach Präparat auch die Gefahr, dass tierische Infektionen auf den Menschen übertragen werden. Auch "immunstimulierende" Verfahren erscheinen mehr als fragwürdig – es ist nicht auszuschließen, dass auf diese Weise zerstörerische Autoimmunprozesse angeheizt werden.

Weiterführende Informationen

  • www.leitlinien.net – Unter der Stichwortsuche finden Sie zum Begriff Multiple Sklerose die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie.
  • www.dmsg.de – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V., Hannover: Internetseite der größten deutschen MS-Fachgesellschaft, in der Betroffene über Patientenbeiräte organisiert sind.
  • www.kompetenznetz-multiplesklerose.de – Das Kompetenz Netz Multiple Sklerose erstellt in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der MS-Leitliniengruppe und dem ärztlichen Beirat der DMSG Therapiehandbücher. Hier wird für jedes Medikament auf erforderliche Sicherheitskontrollen, Gegenanzeigen und praktisches Vorgehen bei Therapieumstellung eingegangen.
  • G. Krämer; R. Besser: Multiple Sklerose – Antwort auf die häufigsten Fragen. Trias, 2006. Faktenreicher fachärztlicher Ratgeber mit umfangreichen Informationen und Tipps, Alltag und Erkrankung zu meistern. Hilfreiche Erstinformationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
  • www.multiple-sklerose-e-v.de – Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e.V.: Hier finden MS-Betroffene Informationen zu Therapien, Akut- und Reha-Kliniken, den Umgang mit Behörden und Institutionen.

Autor*innen

Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen: Christian Pirzer. | zuletzt geändert am um 15:33 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.