Für die meisten in der modernen Medizin angewendeten Verfahren gilt: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Auch wenn ein Medikament in heilender Absicht in den menschlichen Körper eingebracht wird, kann es dort vielfältige Störungen bewirken, selbst wenn niemand etwas falsch macht.
Besonders gefährdet sind ältere Patienten. Sie haben oft mehrere Krankheiten, und in aller Regel werden sie – von unterschiedlichen Fachärzten – durch Ausschüttung des Medikamentenfüllhorns behandelt: Jeder über 60-jährige Deutsche nimmt im Schnitt drei Medikamente dauerhaft ein! Dabei drohen zum einen unerwünschte Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten, und zum anderen haben ältere Menschen wegen der oft eingeschränkten Organfunktionen mit weitaus mehr Medikamentennebenwirkungen zu rechnen als jüngere. 10–15 % der älteren Patienten, so Prof. Meinhard Classen, langjähriger Direktor der II. Medizinischen Klinik der TU München, müssen wegen Nebenwirkungen von Medikamenten stationär behandelt werden Und der Britische Ärzteverband geht davon aus, dass Medikamentennebenwirkungen in Großbritannien für 250 000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr verantwortlich sind.
Schäden durch Überversorgung
Ein immer stärker diskutiertes Problem ist auch das: Patienten können durch unnötige Behandlungen und damit durch medizinische Überversorgung zu Schaden kommen.
Das Risiko eines medizinischen Eingriffs besteht nämlich zunächst unabhängig von der Schwere der behandelten Erkrankung: Das Narkoserisiko ist bei einem kosmetischen Eingriff nicht kleiner als bei einer – möglicherweise lebensrettenden – Krebsoperation. Behandeln Ärzte also vor allem leichte Fälle, so ist das Verhältnis von Nutzen und Risiko ungünstiger. Und mit welcher Häufigkeit sich Ärzte den leichteren Erkrankungen zuwenden, hängt nach vielen Untersuchungen auch von der Dichte der entsprechenden Spezialisten ab. Viele Orthopäden in einer Stadt bedeuten meist auch: viele Arthroskopien und viele Rückenoperationen – mit all ihren möglichen Nebenwirkungen. Das Problem der modernen Medizin scheint damit auch folgendes zu sein: Dass immer mehr Ärzte „Dinge gut können, die niemand braucht“
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