Wie ein Sturz aus der Wirklichkeit.

Diagnose Krebs:

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Strahlentherapie kann Patienten auch psychisch belasten.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland über 340.000 Menschen neu an Krebs. Bis zu 40 Prozent von ihnen entwickeln in der Folge psychische Störungen. Dies sind „normale“ Reaktionen auf ein extrem bedrohliches Ereignis. Krebs ist nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche eine enorme Belastung. Nach dem Schock der ersten Diagnose verlangt auch der weitere Krankheitsverlauf große Anpassungsleistungen: Möglicherweise ändern sich die Rollen in der Familie, vielleicht muss der Arbeitsplatz aufgegeben werden. Chemotherapien lassen die Haare ausfallen, oder der Körper wird durch chirurgische Eingriffe entstellt.

Psychoonkologen unterstützen krebskranke Patienten

Um krebskranken Menschen zu helfen, mit solchen Situationen zurecht zu kommen, bieten manche Kliniken und Krebszentren psychoonkologische Dienste an. Psychoonkologen reden mit den Patienten, die reale Ängste und Schmerzen empfinden und vor allem Personen brauchen, die das aushalten und mittragen. Entspannungsübungen können Erleichterung bringen, aber auch die Suche nach Unterstützung für die Betroffenen.

Die meisten Patienten entwickeln Theorien darüber, was ihre Krebserkrankung ausgelöst haben könnte, etwa eine Scheidung, Stress im Beruf oder eine Traumatisierung. Der Nachweis direkter Zusammenhänge ist dabei kaum möglich, aber solche Vorstellungen helfen, die Krankheit zu verarbeiten. In verschiedenen Studien konnte belegt werden, dass eine aktive Krankheitsverarbeitung sich positiv auf die Lebensqualität und möglicherweise auch auf die Überlebenszeit auswirkt.

Begleitung durch sensible Krankheitsphasen

Im Verlauf einer Krebserkrankung gibt es mehrere besonders sensible Phasen, angefangen bei der ersten Diagnose. Die schlimme Nachricht wird oft als "Sturz aus der Wirklichkeit" beschrieben, weil sie einen Bruch mit dem bisherigem Leben bedeutet. Dabei muss ein bösartiger Tumor heute noch lange kein Todesurteil sein und manche Krebsarten gelten sogar als heilbar. Schock, Verzweiflung und Ängste bis zu depressiven Reaktionen sind in der ersten Phase normal und sollten auch zugelassen werden. Guter Rat und Aufmunterungsversuche sind hier fehl am Platz. Kritisch wird es dann, wenn der negative emotionale Zustand wochenlang anhält und etwa Schlafstörungen die Rückkehr in eine gute Bewältigung des Lebensalltags verhindern.

Rückfälle sind besonders gefürchtet

Die Behandlung von Krebs selbst kann ebenfalls problematisch sein, besonders, wenn die Auswirkungen gravierend sind. Muss etwa bei einer Brustkrebs-Operation die Brust entfernt werden, ist das viel schwerer zu verkraften als eine brusterhaltende Behandlung.

Doch auch nicht-operative Methoden wie die Strahlentherapie können Ängste und Fremdheitsgefühle erzeugen. Denn bei der täglichen Bestrahlung sind die Patienten in einem Raum voll hochentwickelter Technik alleine. Sie hören, schmecken und riechen nichts und sehen erst nach langer Zeit die Auswirkungen der Behandlung.

Chemotherapie ist wegen ihrer Nebenwirkungen manchmal mehr gefürchtet als die eigentliche „Todesdrohung“, die hinter jeder Krebserkrankung steckt. Haarverlust, Hautveränderungen und Übelkeit müssen bewältigt werden.

Besonders kritische Momente, in denen Ärzte häufig Psycho-Onkologen hinzuziehen, sind  Rückfälle in vermeintlich geheilte Erkrankungen, die Ausbildung von Metastasen oder die Verschlechterung der Prognose im Sinne einer medizinischen Unheilbarkeit.

Neue Perspektiven im Leben finden

Rund zwei von drei Krebspatienten kommen mit der Erkrankung nach einer anfänglichen Schockphase gut zurecht. Genaue medizinische Informationen helfen oft dabei, die Situation richtig einzuschätzen und neue Perspektiven im Leben zu erkennen. Eine wichtige Unterstützung können Partner, Familie oder Freunde sein. Auch die Selbstkontrolle über ihren Körper wieder zu erlangen ist für viele Patienten eine Motivation. Die seelische Verarbeitung der Erkrankung verläuft bei verschiedenen Menschen unterschiedlich, je nachdem ob sie Medizingläubige, Kämpfertypen oder auch depressiv-ängstliche Menschen sind.

Von den meisten Patienten wird es jedoch als hilfreich erlebt, wenn sie aktiv zur Therapie beitragen können. So genannte "Alternativmethoden" sollten dabei kritisch geprüft und mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, weil es zu Wechselwirkungen mit der vom Arzt durchgeführten Therapie kommen kann.

Autor*innen

Susanne Kemmer | zuletzt geändert am um 09:58 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.