Gehirn verortet Erinnerungen räumlich

Vergesslichkeit im Alltag

„Jetzt habe ich vergessen was ich holen wollte!“ Das hat wohl jeder schon einmal erlebt. Man wollte nur schnell etwas aus dem Nebenzimmer holen und steht jetzt mit leeren Händen da. Aber keine Angst: Vergesslichkeit ist nicht gleich ein Zeichen für Demenz. Schuld ist die Tür: Wenn wir sie passieren, lassen wir auch unsere Erinnerungen im Raum zurück. Das stellten Wissenschaftler der Universität Notre-Dame in Indiana, USA fest.

Erinnerungen bleiben draußen

„Eine Tür ist wie eine ‚Ereignisgrenze‘ fürs Gehirn. Sie trennt die einzelnen Handlungsepisoden und speichert sie in verschiedenen Ordnern ab“, erklärt Gabriel Radvansky, Psychologieprofessor der Universität Notre-Dame. Das Team rund um den Wissenschaftler fand dies mithilfe von mehreren Experimenten heraus. Die 55 Teilnehmer mussten beispielsweise Gegenstände in eine Kiste packen und sich die Reihenfolge merken. Erstaunlich: So bald sie das Zimmer verließen, vergaßen sie den Ablauf eher als die Probanden, die im Zimmer blieben.

Woran das liegt? Unser Gehirn bündelt Erinnerungen und sortiert diese nicht nur nach inhaltlichen, sondern auch nach örtlichen Merkmalen. Dies bedeutet, dass es für unsere Erinnerung auch wichtig ist, wo wir etwas erlebt haben. Die Forscher nennen dies einen „räumlichen Aktualisierungseffekt“.

Zurückgehen bringt nichts

Die Forscher machten ein Gegenexperiment: War wirklich die Tür der Erinnerungskiller oder lag es an der neuen räumlichen Umgebung? 28 weitere Probanden sollten nun ein Objekt vom Tisch auswählen und kurze Zeit später versuchen sich daran zu erinnern. Bei den Teilnehmern, die den Raum durch eine Tür verließen, hatten sich wiederum größere Erinnerungslücken eingestellt, als bei denen, die sich nicht durch eine Tür entfernten. Der Grund: Mit dem Überschreiten der Türschwelle speichert unser Gehirn die Erinnerung ab und archiviert sie. Danach sind sie nicht so leicht wieder abrufbar.

Autor*innen

20.03.2012 | Isabelle Hübler