Gehirn arbeitet beim Abschweifen

Wenn die Gedanken wandern

Habe ich den Herd ausgeschaltet? Was esse ich zu Abend? Unsere Gedanken schweifen immerzu herum, oft weit weg von der momentanen Beschäftigung. Eine aktuelle Studie zeigt, dass ein wandernder Geist ein Zeichen für ein leistungsstarkes Gedächtnis ist.

Arbeitsgedächtnis speichert Information

Stellen Sie sich vor, Sie verabreden sich mit dem Nachbarn zum Mittagessen. Bevor Sie die Verabredung in Ihren Terminkalender eintragen können, drehen Sie den tropfenden Wasserhahn zu, füttern die Katze und schreiben einen Einkaufszettel. Dass Sie sich danach trotzdem an Ihre Verabredung erinnern können, verdanken Sie dem so genannten Arbeitsgedächtnis. Es ist für die vorübergehende Speicherung von Information zuständig.

Eine Studie der Universität Wisconsin-Madison und des Max-Planck-Instituts ergab, dass das Potenzial des Arbeitsspeichers davon abhängt, in wieweit jemand während eines routinierten Arbeitsvorgangs seine Gedanken schweifen lässt. Für die Studie machten mehrere Freiwillige einfachen Aufgaben. Sie sollten zum Beispiel einen Knopf drücken, sobald ein bestimmter Buchstabe auf einem Bildschirm erschien. Die Forscher wollten herausfinden, wie die Probanden bei dieser unterfordernden Beschäftigung ihre Ressourcen nutzen. Während die Teilnehmer sich den Aufgaben widmeten, fragten die Wissenschaftler sie, ob ihre Gedanken bei der Aufgabe waren oder ob sie wanderten.

Gehirn legt Prioritäten fest

Die Forscher stellten fest, dass diejenigen mit höherer Gedächtnisleistung ihre Gedanken häufiger schweifen ließen als die anderen. Ein leistungsstarkes Arbeitsgedächtnis ermöglicht demnach mehrere voneinander unabhängige Gedankengänge. Dies ist umso mehr der Fall, je einfacher eine Aufgabe ist und nicht die volle Aufmerksamkeit erfordert.

„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass das Arbeitsgedächtnis die Planung des täglichen Lebens unterstützt – ob auf dem Weg zur Arbeit oder unter der Dusche. Das Gehirn weist freie Ressourcen den dringenden Problemen zu“, erklärt Studienleiter Jonathan Smallwood. Was nicht heißt, dass Menschen mit einem leistungsstarken Arbeitsgedächtnis nie bei der Sache sind. Das Arbeitsgedächtnis dient auch der Konzentration auf eine Aufgabe, zumindest wenn sie hohe Priorität hat.

Autor*innen

22.03.2012 | Julia Heiserholt