Fakten aus der Forschung

Warum gähnen wir?

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Gähnen ist so alt wie die Menschheit. Gegähnt wird jederzeit und überall, reflexartig und mehrmals am Tag. Sogar Babys gähnen schon im Mutterleib. Dem Mysterium, woher das Gähnen kommt und wozu es dient, sind Forscher seit langem auf der Spur. Ihr Erkenntnisspektrum ist groß, doch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Männer und Frauen gähnen gleich viel

Wissenschaftler aus Rom beispielsweise gingen geschlechtsspezifischen Gähnfragen nach. Sie untersuchten, ob Männer und Frauen unterschiedlich viel gähnen. Dafür beobachteten sie in der U-Bahn das Gähnverhalten der Fahrgäste. Ihr Fazit: Männer und Frauen gähnen gleich viel, etwa achtmal am Tag und sechs Sekunden lang. Nur Ungeborene gähnen mehr, nämlich 18-mal am Tag. Was der Zweck des Gähnens ist, dafür gibt es verschiedene Erklärungen.

Wer gähnt, der streckt

Es ist ein beliebtes Ritual am Morgen: nach dem Aufstehen die Glieder strecken und ausgiebig dabei gähnen. Dass Gähnen und Strecken gleichzeitig ablaufen, ist typisch am Morgen. Abends ist es zwar auch üblich zu gähnen, sich zu strecken aber nicht. Der Sinn dahinter: Strecken und Gähnen erhöhen den Blutdruck sowie den Herzschlag. Zudem dehnt es Gelenke und Sehnen. Auch Ungeborene  – sie gähnen ab der elften Schwangerschaftswoche – koppeln es mit dem Strecken der Glieder. Regelmäßiges Strecken sorgt dafür, dass Ärmchen und Beinchen nach der Geburt funktionsfähig sind. Das Gähnen selbst dient dazu, die Lungenfunktion zu verbessern.

Gähnen heißt Anteil nehmen

Gähnen ist aber nicht nur ein Bewegungsmotor, sondern auch Ausdruck des Seelenlebens. Dabei spielt vor allem der ansteckende Charakter eine Rolle. Wer sich vom Gähnen anstecken lässt, hat bereits seine sozialen Fähigkeiten entwickelt. Kinder prägen erst ab einem Alter von vier Jahren ihre soziale Kompetenz aus. Erst dann lassen sie sich auch vom Gähnen anstecken. Gähner sind zudem mitfühlender als Nichtgähner. Wer mitgähnt, kann sich auch besser in Andere hineinversetzen.

Beim Gähnen werden die gleichen Botenstoffe im Gehirn aktiv wie bei seelischen Stimmungen. Ist die Stimmung getrübt und bildet der Körper viel Dopamin, steigt die Gähnfrequenz. Ist hingegen die Stimmung gut und bilden sich vermehrt Endorphine, nimmt das Gähnen ab. Menschen gähnen auch, wenn sie sich langweilen oder aufgeregt sind. Sie erzeugen dadurch auch Aufmerksamkeit bei ihren Mitmenschen.

Luft für kühlen Kopf

Manche Forscher glauben auch, dass Gähnen Abkühlung bringt, wenn der Kopf raucht. Zu diesem Schluss kamen amerikanische Psychologen, nachdem sie Versuchspersonen Videos mit gähnenden Menschen zeigten. Üblicherweise gähnen Menschen mit, wenn sie andere gähnen sehen. Doch nur, wenn ihr Gehirn warm ist. Denn die Versuchspersonen gähnten genau dann nicht, wenn ihr Gehirn durch Eiswürfel auf der Stirn gekühlt wurde. Andere Forscher halten diese Theorie allerdings für unwahrscheinlich, da neuere Tests zeigen, dass die Temperatur im Hirn konstant bleibt, beim Gähnen wie beim Nicht-Gähnen.

Auch wenn in Sachen Gähnen noch manches unklar ist, so sind sich die Forscher in einem sicher: Keiner gähnt, um Sauerstoff in sein Blut zu pumpen, wie die alte Hausweisheit besagt. Egal, ob jemand viel oder wenig Sauerstoff im Blut hat, er gähnt immer gleich viel.

Autor*innen

Anke Kopacek | zuletzt geändert am um 15:44 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.