Fünf Ernährungsmythen

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Alle Fette sind böse? Ganz so einfach ist es nicht.

Mythos 1: Fette sind böse

Fett hat einen schlechten Ruf. Da es pro Gramm die doppelte Menge an Energie enthält wie die beiden anderen Energielieferanten des Körpers (Eiweiß und Kohlenhydrate), ist es ein potenzieller Spielverderber in Sachen schlanke Linie. Außerdem ist unstrittig, dass die meisten dicken Menschen zu viel Fett essen.

Erst in den letzten beiden Jahrzehnten ist die gesunde Seite der Fette entdeckt worden: Je nach chemischem Aufbau sorgen nämlich manche Fette (ungesättigte Fette) für einen gesunden Stoffwechsel und helfen bei der Vorbeugung gegen Arteriosklerose und vielleicht sogar gegen entzündliche Erkrankungen. Zudem haben viele Studien gezeigt – wie etwa die an 83.000 amerikanischen Krankenschwestern durchgeführte „Nurses health study“ –, dass der Fettgehalt der Nahrung für sich allein keinen Einfluss auf das Risiko späterer Herz- oder Gefäßerkrankungen hat

Die „Fettfrage“ muss deshalb differenziert betrachtet werden:

Qualität statt Quantität. Noch vor zehn Jahren schien die Welt in Ordnung: Man müsse nur den Fettkonsum auf unter 30 % der verzehrten Kalorien senken, dann treten die Blutfette und das Cholesterin automatisch den Rückzug an und die Blutgefäße verstopfen nicht so schnell – so die Annahmen etwa der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Tatsächlich ging das Cholesterin insgesamt durch eine fettreduzierte Ernährung zurück – aber neben dem schlechten LDL sank auch der Anteil des guten HDL-Cholesterins. Zudem stiegen die Triglyzeride im Blut wegen des erhöhten Konsums von Kohlenhydraten an – nicht gut für die Blutgefäße. Heute ist klar geworden: Das Augenmerk sollte mehr auf der Qualität des Fetts liegen als auf der Quantität.

Der Fettanteil liegt gerade bei der gesunden Mittelmeerkost bei bis zu 40 %, und wen wundert‘s: Die verwendeten Fette und Öle bestehen vor allem aus einfach ungesättigten Fettsäuren sowie Omega-3-Fettsäuren, gesättigte Fettsäuren sind selten, gehärtete Fette fehlen praktisch ganz.

Sondertext: Das Einmaleins der Fette

Gesättigt = igitt? Gesättigte Fette sind nicht per se schlecht. So enthält etwa Milchfett einen recht hohen Anteil an gesättigten Fetten – trotzdem stehen Menschen, die Milchprodukte verzehren, in Langzeitstudien gesundheitlich besser da Auch Muttermilch enthält vor allem gesättigte Fette, sicherlich nicht ohne Grund. Gesättigte Fette liefern dem Körper vor allem Energie und vor diesem Hintergrund sollten sie bewertet werden:

  • Solange die kalorische Bilanz stimmt und die Ernährung insgesamt ausgewogen ist, sind keine Nachteile zu befürchten.
  • Bei Übergewicht kann auf gesättigtes Fett (etwa Milchfett) verzichtet werden. Allerdings: Viele der wertvollen Bestandteile der Milch (etwa Vitamin D und konjugierte Linolsäure) sind im gesättigten Fett gelöst und werden zusammen mit ihm aufgenommen. Außerdem macht Fett die Nahrung schmackhaft – gerade fettarme Fertigprodukte enthalten deshalb umso mehr Zucker und Geschmacksverstärker! Dies legt nahe, dass auf gesättigte Fette nicht vollständig verzichtet werden kann. Das ist auch kaum möglich, da in Fast Food, Süßigkeiten, Soßen, Gebäck und Wurstwaren vor allem gesättigte Fette versteckt sind.
  • Margarine oder Butter? Auch hier gilt: Solange die kalorische Bilanz insgesamt stimmt, spricht nichts gegen die an gesättigten Fettsäuren reiche Butter. Butter ist im Gegensatz zur Margarine ein reines Nahrungsmittel – letztere ist ein Gemisch aus Ölen, Wasser, Magermilch, Säuerungsmitteln und Emulgatoren und die Öle sind teilweise gehärtet.

Fett im Fleisch. Die Qualität des Fettes im Fleisch schwankt je nach Tierart, Futter und Mastbedingungen erheblich. Die günstigsten Fettmischungen sind bei möglichst wenig gemästeten, frei grasenden Tieren zu erwarten, bei denen sowohl der Anteil an Omega-3-Fettsäuren als auch der an konjugierter Linolsäure höher liegt.

Cholesterin (auch Cholesterol genannt) ist ein wichtiger Bestandteil der Zellwände und ein Ausgangsstoff für die Produktion von Hormonen und Gallensäuren. Der Cholesterinspiegel im Blut wird von vielen Faktoren beeinflusst, unter anderem von unserer genetischen Anlage sowie davon, wie viel wir uns bewegen und welche Fette wir essen:

  • Gehärtete und gesättigte Fette erhöhen das schlechte LDL-Cholesterin – vor allem dann, wenn wir über unseren Energiebedarf hinaus essen.
  • Ungesättigte Fette erhöhen dagegen das gute HDL-Cholesterin.

Das mit der Nahrung zugeführte Cholesterin dagegen hat nur bei einer Minderheit überhaupt einen Einfluss auf den Cholesterinspiegel im Blut. Bei zwei Dritteln bis drei Vierteln der Menschen wird der Cholesterinspiegel unabhängig von der Cholersterinzufuhr aus der Nahrung geregelt (Mediziner nennen diese Menschen Hyporesponder). Beim Rest schlägt sich eine höhere Zufuhr von Cholesterin zwar in moderat ansteigenden Cholesterinspiegeln nieder, da jedoch sowohl das schlechte als auch das gute Cholesterin ansteigt, kann nicht pauschal von einer gesundheitsschädlichen Wirkung ausgegangen werden. Dass der Verzicht auf das Frühstücksei gut für das Herz sei, ist jedenfalls ein heute überhöhter medizinischer Mythos der 1970er-Jahre.

Trans-Fette. Trans-Fette sind die wirklich bösen Buben unter den Fetten. Diese entstehen vorwiegend bei der Härtung von Fetten in der Lebensmittelindustrie und beim Erhitzen von Ölen auf hohe Temperaturen. Obwohl allgemein bekannt ist, dass diese Fette sehr viele gesundheitliche Nachteile haben, sind sie immer noch in vielen industriell hergestellten, fettreichen Lebensmitteln sowie in frittiertem Fast Food enthalten (aber auch in Eiscreme, Snacks, Tütensuppen, Keksen und industriell hergestellten Süß- und Backwaren, insbesondere in solchen mit Creme-Füllungen).

In Deutschland werden im internationalen Vergleich zwar wenige Trans-Fette konsumiert (Spitzenreiter sind hier die USA), sie machen aber auch hier immerhin 1 % der durchschnittlichen Energiezufuhr aus, das sind etwa 2 g pro Tag. Nach neueren Forschungsergebnissen wird geschätzt, dass ein täglicher Konsum von mehr als 5 g das Risiko für Herzgefäßerkrankungen um immerhin 25 % steigert. Und wie schnell dieser Wert erreicht ist, zeigen Untersuchungen von Warentestern: In über der Hälfte der in Deutschland getesteten Fast-Food-Mahlzeiten sind mehr als 5 g Trans-Fette enthalten.

Wissenschaftler schätzen, dass Trans-Fette für etwa 6 % aller Todesfälle in den USA verantwortlich sind – sie sind damit weitaus giftiger als viele inzwischen verbotene Pflanzenschutzmittel. In Dänemark sind deshalb seit 2004 Lebensmittel mit einem Trans-Fett-Gehalt über 2 % des verwendeten Gesamtfetts verboten.

Sie zu vermeiden ist gar nicht so einfach: Zwar kann man generell auf Fast Food und die besonders belasteten industriell hergestellten Nahrungsmittel verzichten. Da aber trotz einer äußerst kritischen Beurteilung durch das Bundesamt für Risikobewertung bisher keine Auszeichnungspflicht besteht, sind die einzelnen Lebensmittel oft schwer einzuschätzen. Denn die inzwischen gesetzlich vorgeschriebene Auszeichnung der gehärteten Fette sagt über den Trans-Fett-Gehalt nichts aus; manche gehärteten Fette enthalten unter 1 % Trans-Fette, andere bis zu 70 %.

Mythos 2: Ballaststoffe sind nur gegen Verstopfung gut

Vor 100 Jahren hatten die damaligen „jungen Wilden“ der Wissenschaft, die Chemiker, ein Problem: Es gab da eine Reihe von Nahrungsbestandteilen, die offenbar nutzlos waren, weil sie praktisch unverändert ausgeschieden werden. Was lag näher, als sie Ballaststoffe zu nennen?

Unlösliche Faserstoffe. Diese Ballaststoffe haben inzwischen eine erstaunliche Karriere hinter sich, in deren Verlauf sie sogar einen neuen Namen bekommen haben: Unlösliche Faserstoffe heißen sie heute – unlöslich deshalb, weil sie im Körper nicht aufgelöst werden, und Faserstoffe, weil es sich tatsächlich um pflanzliche Fasern handelt, und zwar vor allem aus Gemüse und Getreideschalen. Dass diese Faserstoffe – wie etwa die Cellulose oder das Lignin – ausgesprochen gesund sind, ist inzwischen unbestritten. Sie halten bei Jung und Alt den Darm in Schwung, zudem senkt eine regelmäßige Zufuhr den Cholesterinspiegel.

Die immer wieder vorgebrachten Bedenken, die in den Randschichten der Vollkornschale vorkommende Phytinsäure und Lektine könnten die Verwertung von Eisen und Zink beeinträchtigen, sind bei einer insgesamt ausgewogenen Ernährung nicht stichhaltig. Denn zum einen enthalten Vollkornmehle eine bis zu sechsfache Menge an Eisen, Zink und Magnesium in Vergleich zu normalem Mehl, zum anderen wird der Gehalt etwa an Phytinsäure durch die Zubereitung – vor allem im Sauerteig – deutlich gesenkt.

Lösliche Faserstoffe. Auch lösliche Faserstoffe (Oligofruktosaccharide) stammen teilweise aus den Schalen von Früchten und Gemüse, sie sind auch in den pflanzlichen Zellwänden, aber auch in Hafer und Molke enthalten. Es handelt sich um große, recht kompliziert aufgebaute Zuckermoleküle wie etwa Inulin oder die Oligofruktose. Im Gegensatz zu ihrem unverdaulichen Namensvetter können die löslichen Faserstoffe verwertet werden – allerdings nur mithilfe von bestimmten Bakterien der Darmflora (die auch als Probiotika bezeichnet werden, z. B. Laktobazillen). Diese „probiotischen“ Bewohner des menschlichen Dickdarms nutzen die löslichen Faserstoffe zur Energiegewinnung und werden dadurch gefördert und gepflegt. Durch diese als präbiotisch bezeichnete Wirkung entsteht eine ausgewogene, gesunde Darmflora, die sowohl Fernwirkungen auf das Immunsystem als auch auf den Stoffwechsel hat. Die von einem gesunden Darm in großen Mengen ins Blut abgegebenen kurzkettigen Fettsäuren etwa beeinflussen die Blutgerinnung und verzögern den Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit. Durch diese Eigenschaft könnten die oft auch als Präbiotika bezeichneten – löslichen Faserstoffe der Entstehung eines metabolischen Syndroms entgegenwirken. Außerdem sorgen lösliche Faserstoffe für ein günstiges Blutfettprofil.

Wegen dieser günstigen Wirkung auf den Stoffwechsel wurde die offiziell empfohlene Menge für Gemüse und Obst in den letzten Jahren von drei auf fünf Portionen täglich erhöht. Kochen schadet den löslichen Faserstoffen wenig.

Viele Studien zeigen, dass ein gesundes Herz-Kreislauf-System stärker von der Menge der mit der Nahrung zugeführten (löslichen) Faserstoffe abhängt als von der Menge der verzehrten Fette.

Mythos 3: Vitamine machen Obst so wertvoll

Was Vitamine angeht, so ist der Mensch fast komplett auf die Zufuhr von außen angewiesen – diese Hilfsstoffe werden für die Funktion der Organe, des Stoffwechsels und der körperlichen Abwehr in kleinen Mengen benötigt. Fehlt ein Vitamin über längere Zeit, so kommt es zu teils drastischen Krankheitserscheinungen, wie etwa dem früher unter den Seefahrern grassierenden Skorbut (Vitamin-C-Mangel). In einzelnen Fällen (insbesondere bei Vitamin A, Vitamin D und dem Provitamin Beta-Karotin) ist auch eine Überversorgung gefährlich (mehr zu Vitaminmangel und -überversorgung).

Vitamine galten lange Zeit als Wundermittel und noch heute sind viele Menschen der Meinung, durch Vitaminpillen ließe sich so mancher Ernährungsfehler ausgleichen. Aber:

  • Unter heutigen Ernährungsbedingungen wird der Bedarf an Vitaminen durch eine ausgewogene Ernährung abgedeckt. Ein Engpass droht nur dann, wenn sich Menschen krankheitsbedingt nicht ausreichend ernähren können oder wenn der in manchen Lebensphasen erhöhte Bedarf an Vitaminen (bei Heranwachsenden oder bei Schwangeren) wegen ungünstiger Ernährungsgewohnheiten nicht gedeckt wird, z. B. bei manchen Diäten oder besonderen Ernährungsformen wie vegane Ernährung.
  • Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Vitaminzusätze gesunden Menschen, die sich ausgewogen ernähren, gesundheitliche Vorteile bringen.

Mythos 4: Wir essen zu sauer

Mit zu saurer Ernährung und einer „Übersäuerung“ des Körpers werden die unterschiedlichsten Symptome wie z. B. anhaltende Müdigkeit, Kopfschmerzen, Rheuma oder Infektneigungen in Verbindung gebracht. Aber ist das wirklich so?

Saure und basische Lebensmittel. Ob ein Nahrungsmittel basisch oder sauer wirkt, hängt von seiner Fähigkeit ab, Wasserstoffatome zu binden oder abzugeben, und damit auch vom Gehalt an basischen Salzen. Diese Salze binden und neutralisieren Säure.

Interessant dabei: Der Geschmack hilft oft nicht, zwischen basen und säurebildenden Lebensmitteln zu unterscheiden. Einige sauer schmeckende Lebensmittel wie Essig oder Zitrone wirken im Organismus basisch, und auch der oft mit Säure in Verbindung gebrachte Rotwein wirkt im Stoffwechsel basisch – süß oder neutral schmeckende Lebensmittel wie Süßigkeiten, Brot oder Nudeln wirken dagegen sauer.

Den Einfluss bestimmter Nahrungsmittel auf die tägliche Säureausscheidung soll zum Beispiel der PRAL-Faktor angeben (ist er positiv, bildet das Nahrungsmittel überwiegend Säuren, ist er negativ, bildet es überwiegend Basen).

Der Säure-Basen-Haushalt. Der menschliche Körper ist auf eine sorgfältige Balance zwischen sauren und basischen Substanzen angewiesen. Besonders kritisch ist diese Balance, die der Arzt mit dem pH-Wert ausdrückt, beim Blut. Der normale Blut-pH von 7,40 darf nur um etwa 0,05 schwanken, sonst funktioniert der Stoffwechsel nicht mehr reibungslos.

Damit das Blut und die anderen Körperflüssigkeiten diesen Normalbereich nicht über- oder unterschreiten, verfügt der Körper über chemische Puffersysteme. Diese sind dazu in der Lage, bei Bedarf überschüssige Säuren und Basen zu neutralisieren. Zudem ist der Körper in der Lage, Säuren in der Leber zu verstoffwechseln und über die Nieren auszuscheiden. Auch die Lunge kann ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt ausgleichen helfen, indem sie Kohlendioxid entweder vermehrt ausscheidet oder zurückhält.

Störungen des Säure-Basen-Haushalts. Allen diesen Regulationsmöglichkeiten ist gemein, dass sie im Alltag perfekt funktionieren. Sie versagen aber, wenn im Körper ein großes Zuviel oder Zuwenig an Säuren oder Basen anfällt oder durch Infusionen oder Medikamente, etwa Diuretika, in die Selbstregulation eingegriffen wird.

Von einer akuten Übersäuerung (metabolische Azidose) spricht man, wenn der pH-Wert des arteriellen Bluts unter 7,35 liegt. Solche behandlungsbedürftigen Übersäuerungen drohen vor allem bei schweren Stoffwechselstörungen wie dem diabetischen Koma, Schock, Nierenversagen oder schwerem, lange bestehenden Durchfall. Auch atmungsbedingte Übersäuerungen (respiratorische Azidose) sind möglich, wenn zu wenig Kohlendioxid ausgeatmet wird, also dann, wenn der Patient zu wenig und zu flach atmet. Häufige Ursachen dafür sind Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD.

Übersäuerung als Krankheitsursache. Der weitaus größte Teil der Säuren, die der Körper tagtäglich abzupuffern hat, stammt nicht aus der Nahrung. Vielmehr fallen sie als Teil des Routinebetriebs im Stoffwechsel an, also allein dadurch, dass wir überhaupt Nährstoffe wie Fette, Kohlenhydrate und Eiweiß verbrennen. Und für diesen Säureanfall ist der Körper bestens gewappnet: Ein gesunder Mensch hat etwa 20-mal so viele freie Basenmoleküle im Körper wie freie Säuremoleküle und damit einen gewaltigen Puffer, der ihn vor einer Übersäuerung schützt. Wenn wir zu viele säurebildende Nahrungsmittel essen, kommt es deshalb nicht zu einer „Übersäuerung“ – der Körper wird allenfalls weniger basisch. Eine verminderte Pufferkapazität wird rasch wieder ausgeglichen und führt deshalb auch nicht zu Krankheiten. Es wundert also nicht, dass Ärzte immer wieder feststellen, dass die Pufferkapazität auch bei solchen Menschen noch erhalten ist, die an angeblich durch Übersäuerung bedingten Krankheiten wie Rheuma oder Hautkrankheiten leiden.

Auch die Evolutionsbiologie spricht gegen die Theorie der Übersäuerung als Erklärung für die heutigen Zivilisationskrankheiten: Der Mensch besiedelt alle Klimazonen der Erde und findet dort vom Säuregehalt her extrem unterschiedliche Nahrungsquellen vor – und kann trotzdem in jeder Klimazone gesund leben. Der Mythos, dass wir zu sauer essen, ist daher bestenfalls halb richtig. Es stimmt, dass säurebildende Nahrungsmittel einen immer größeren Anteil unserer Nahrung ausmachen – normalerweise wird der Körper damit aber problemlos fertig. Es konnten keinerlei Beweise erbracht werden, die das Konzept einer dauerhaften Übersäuerung durch die Nahrung als Krankheitsursache belegen. Die gegen die Übersäuerung empfohlenen Maßnahmen gehen aber in die richtige Richtung, wenn auch aus anderen Gründen: Viel Gemüse und Obst und relativ wenig Fleisch sowie regelmäßige Bewegung und ausreichend Entspannung nutzen der Gesundheit auf jeden Fall.

  • www.saeure-basen-forum.de – Betrieben von einem Ernährungswissenschaftler: Informative, allerdings von einem Pharmaunternehmen gesponserte Website, enthält u. a. eine Tabelle der PRAL-Werte von rund 100 Lebens- und Genussmitteln.

Mythos 5: Wir sollen mehr trinken

Wenn es nach den gängigen Ratgebern geht, trinken wir alle zu wenig: Über den Tag verteilt sollten wir mindestens 2 l Wasser zu uns nehmen, um nicht müde oder gar krank zu werden. Was ist daran richtig? Sollen wir mehr trinken, als unser Durst verlangt?

Zum einen: Der Wasserbedarf ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, und das vor allem deshalb, weil er eng an den Kalorienverbrauch gekoppelt ist. Die Faustregel der Mediziner lautet: Für jede im Stoffwechsel umgesetzte Kalorie braucht der Körper 1 ml Wasser. Eine leichtgewichtige Frau mit einem Büroarbeitsplatz braucht bei einem Tagesenergieverbrauch von vielleicht 1 800 Kalorien also in etwa 1 800 ml (fast 2 l) Wasser, ein muskulöser Schwerarbeiter bringt es dagegen locker auf das Doppelte oder Dreifache.

Zum Zweiten: Das Wasser, das der Körper braucht, muss nicht unbedingt im Glas getrunken werden. Denn gerade die von vielen gesundheitsbewusst lebenden Menschen bevorzugte gemüse- und obstbetonte Ernährung enthält viel Flüssigkeit – der Wassergehalt eines Apfels etwa liegt bei 85 % und auch Milch besteht zu über 90 % aus Wasser.

Und zum Dritten: Ein gesunder Körper meldet Wassermangel zuverlässig als Durst. Wer also trinkt, wenn er Durst hat oder wenn ihm danach ist, ist auf der sicheren Seite.

Darin liegt andererseits gerade für Kranke oder demenzkranke Menschen ein Riesenproblem: Sie spüren ihren Durst weniger oder können ihm nicht nachgehen. Bei diesen Menschen kann es also sehr wohl heißen, sie sollten regelmäßig mehr trinken.

Dass vorsorgliches Trinken das Gegenteil von dem erreichen kann, was es beabsichtigt, zeigte eine inzwischen berühmte Studie beim Boston Marathon : Bei denjenigen Läufern, die vorsorglich viel und häufig tranken, trat nach dem Lauf weitaus häufiger eine Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts auf.

Fazit: Wir tun auch in Sachen Flüssigkeit gut daran, nicht nach irgendwelchen Normtabellen zu trinken, sondern die Signale unseres Körpers zu beachten.

Autor*innen

Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). | zuletzt geändert am um 16:15 Uhr