Wie ermittelt man sein Risikoprofil?

Herz- und Gefäßleiden

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Regelmäßige körperliche Aktivität stärkt das Herz-Kreislauf-System.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch Todesursache Nummer eins. Experten raten Patienten, sich einen Überblick über das eigene Risikoprofil zu verschaffen. Welche Faktoren erhöhen das Herz-Kreislauf-Risiko?

Interview zum Thema „Herz- und Gefäßerkrankungen“ mit Prof. Dr. med. Sabine Westphal, Chefärztin des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik am Städt. Klinikum Dessau.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch Todesursache Nummer eins. Gibt es bestimmte Vorzeichen, mit denen sich ein Herzinfarkt oder Schlaganfall ankündigt?

Prof. Dr. med. Westphal: Leider gibt es keine spezifischen Alarmsymptome, die einen bevorstehenden Infarkt oder Schlaganfall ankündigen. Der Patient klagt zunehmend über Erschöpfung, Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Weiterhin berichten die Betroffenen über vermehrte Müdigkeit nach geistiger Anstrengung, über Niedergeschlagenheit, abnehmende Arbeitsleistung und Gefühle körperlicher Schwäche. Im Akutgeschehen des Infarkts erlebt der Betroffene einen starken Vernichtungsschmerz, Schweißausbrüche und Schmerzen im linken Arm. Die Symptome beim Schlaganfall sind noch vielschichtiger und reichen von Sehstörungen über den Ausfall der Sprachfunktion bis hin zu Lähmungen. In beiden Fällen muss sofort ein Notarzt verständigt werden.

Experten raten generell, sich einen Überblick über das eigene Risikoprofil zu verschaffen. Worauf ist dabei zu achten? Was genau muss untersucht werden?

Prof. Dr. med. Westphal: Besonders gefährdet sind Männer um die Mitte 50 mit den wichtigsten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Zigarettenkonsum. Bei diesen Patienten sollten die Blutfette und der Blutzucker untersucht werden, aber auch die Kontrolle der Nierenfunktion gilt als wichtiger Vorhersagefaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Können Durchblutungsstörungen in den Beinen oder Potenzprobleme Hinweise auf eine Arteriosklerose und/oder ein erhöhtes Herzinfarktrisiko sein?

Prof. Dr. med. Westphal: Jede Form der Durchblutungsstörung gehört in ärztliche Betreuung. Die Arteriosklerose ist ein Problem aller Gefäße, allerdings können die ersten wahrnehmbaren Symptome individuell verschieden auftreten.

Wie wichtig sind die Cholesterinwerte? Was lässt sich anhand eines Lipidprofils ablesen? Was sagen LDL, HDL und Triglyzeride aus?

Prof. Dr. med. Westphal: Der Gesamtcholesterinwert eines Menschen ist nur bedingt aussagefähig. Denn dieser Wert ist die Summe der Cholesterinanteile aller Fette (Lipoproteine) im Blut. Nur anhand von differenzierten Werten kann der Arzt das Gesundheitsrisiko beurteilen. Die verschiedenen Lipoproteine haben unterschiedliche Aufgaben. Die Low-Density-Lipoproteine (LDL) transportieren Cholesterin von der Leber zu den Geweben und gelten als Arteriosklerose hervorrufend (atherogen). Dagegen nehmen High-Density-Lipoproteine (HDL) Cholesterin aus den Geweben auf und bringen es zur Ausscheidung in die Leber zurück. Die Wirkung des HDL-Cholesterins ist also antiatherogen. Zu einer Erhöhung des Gesamtcholesterins tragen auch Lipoproteine bei, die vor allem Neutralfette (Triglyzeride) enthalten. Es ist in jedem Fall erforderlich, die LDL-Cholesterin- sowie HDL-Cholesterinkonzentration als auch die Triglyzeridkonzentration zu bestimmen.

Ein niedriges LDL-Cholesterin gilt als Vorbeugung gegen Herzinfarkt. Wovon hängt es ab, wie stark die Senkung sein sollte?

Prof. Dr. med. Westphal: Die Höhe des angestrebten LDL-Cholesterin-Zielwerts hängt von der arteriosklerotischen Erkrankung und den vorhandenen Risikofaktoren ab: In Abhängigkeit vom Vorhandensein sonstiger Risikofaktoren (männliches Geschlecht, Rauchen, Übergewicht, Infarkte in der Elterngeneration vor dem 55. Lebensjahr) gelten unterschiedliche Zielwerte: Bei einem mäßigen Risiko sollte das LDL-Cholesterin unter 115 mg/dl (3 mmol/l) liegen, bei einem hohen Risiko unter 100 mg/dl (2,6 mmol/l) und bei sehr hohem Risiko, z. B. nach Herzinfarkt und bei Diabetes, sollte das LDL unter 70 mg/dl (1,8 mmol/l) betragen. Ein HDL-Cholesterinwert unter 40 mg/dl ist niedrig, Werte von 60 mg/dl und mehr sind hoch und damit prinzipiell günstig. Triglyzeride, nüchtern gemessen, sollten kleiner als 150 mg/dl sein.

Was lässt sich mit Sport und einer Ernährungsumstellung im Hinblick auf die Cholesterinwerte erreichen und wo liegen die Grenzen dieser Maßnahmen?

Prof. Dr. med. Westphal: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind für fast die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland verantwortlich. Studien haben gezeigt, dass sich körperliche Aktivität längerfristig positiv auf das Herz-Kreislauf-Risiko auswirkt. Es fand sich eine positive Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der körperlichen Aktivität und dem positiven HDL-Cholesterin, auf Triglyzeride und LDL gibt es nur wenig Einfluss. Auch die Aufnahme einer moderaten körperlichen Aktivität erst in einem mittleren oder höheren Lebensalter ist mit einer Risikoreduktion verbunden. Daher empfehlen aktuelle Leitlinien einheitlich regelmäßige Bewegung an mindestens fünf Tagen der Woche. Die Intensität des körperlichen Trainings muss sich dabei stets an der individuellen Situation des Patienten orientieren.

Auf eine zusätzliche cholesterinbewusste Ernährung sollten vor allem Menschen mit weiteren Risikofaktoren achten – zum Beispiel bei Übergewicht, Bluthochdruck oder einer Glukoseintoleranz, Diabetes. Insgesamt ist die Ernährung nur zu etwa 25 Prozent für den Cholesterinspiegel verantwortlich – hauptsächlich entscheidet die genetische Veranlagung, ob unser Körper viel oder wenig Cholesterin produziert, denn einen Großteil des Stoffes bildet er in der Leber selbst.

Was kann von einer Standardtherapie mit Statinen erwartet werden?

Prof. Dr. med. Westphal: Der wichtigste Risikofaktor unter den Blutfetten ist das LDL-Cholesterin, dies gilt es, in erster Linie zu senken. Bei erhöhtem LDL-Cholesterin kommen Statine zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Stoffe, die ein Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese in der Leber hemmen. Die Standarddosis dieser Medikamente senkt das LDL-Cholesterin in der Regel um 30 bis 40 Prozent. Veränderte HDL-Cholesterin- oder Triglyzerid-Werte können vor allem durch Veränderungen des Lebensstils günstig beeinflusst werden.

Warum kann eine Kombinationstherapie mit einem Cholesterinaufnahmehemmer für KHK- und Diabetespatienten sinnvoll sein?

Prof. Dr. med. Westphal: Risikopatienten mit manifester Arteriosklerose sollten einen sehr niedrigen LDL-Cholesterinwert (kleiner 70 mg/dl bzw. 1,8 mmol/l) aufweisen. Dieser Wert wird häufig nur mit einer maximalen Dosis eines Statins erreicht. Bei hohen Statindosen steigt aber das Nebenwirkungsrisiko. Wenn mit einem Statin alleine der empfohlene Zielwert nicht erreicht werden kann, kann eine Kombinationstherapie, beispielsweise mit einem Cholesterinaufnahmehemmstoff, sinnvoll sein. Dieser sorgt für einen verminderten Transport von Cholesterin aus dem Darm in die Leber. Statine wiederum reduzieren die Cholesterinsynthese in der Leber. Gemeinsam führen diese unterschiedlichen Wirkungsmechanismen daher zu einer sich ergänzenden Cholesterinsenkung.

Stimmt es, dass die Senkung des LDL-Cholesterins eine Arteriosklerose möglicherweise stoppen kann? Lassen sich so auch vorhandene Gefäßschäden rückgängig machen?

Prof. Dr. med. Westphal: Studien mit hoch dosierter Statintherapie haben bestätigt, dass der Nutzen einer LDL-Cholesterinsenkung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit umso größer ist, je tiefer der LDL-Wert gesenkt wird. Durch die Veränderung des LDL-Spiegels im Blut kann die Arteriosklerose nicht nur gebremst oder gestoppt, sondern sogar rückgängig gemacht werden. Allerdings müssen dazu die Werte in sehr niedrige Bereiche um die 60 mg/dl (1,6 mmol/l) gesenkt werden.

Autor*innen

Sandra Göbel/Deutscher Journalistendienst | zuletzt geändert am um 14:46 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.