Wie ermittle ich mein Risiko?

Herzinfarkt

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Männer und Frauen erleiden im Durchschnitt gleich häufig einen Herzinfarkt - Männer aber 10-15 Jahre früher.

Warum sind Herzinfarkte so häufig? Ist Übergewicht ein Risikofaktor? Und wie lässt sich ein Herzinfarkt effektiv vorbeugen? Dr. med. Peter Bosiljanoff, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Nuklearmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in München, informiert über das Thema Herzinfarkt.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland nach wie vor Todesursache Nummer 1. Woran liegt das, und sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen?

Dr. Bosiljanoff: Wenn wir von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sprechen, dann meinen wir meistens die Arteriosklerose und deren Auswirkungen auf das Herz wie Herzinfarkt, plötzlichen Herztod und Herzinsuffizienz. Diese Erkrankungen sind in hohem Maße Folge unserer Lebensumstände und letztlich auch unserer hohen Lebenserwartung. Denn es vergeht Zeit, bis Arteriosklerose die Gefäße schädigt – in Abhängigkeit von Anzahl und Ausprägung der Risikofaktoren. Frauen erleiden die Folgen etwa zehn bis 15 Jahre später als Männer, die Häufigkeit ist aber in etwa gleich.

Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden?

Dr. Bosiljanoff: Hier müssen wir beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren unterscheiden. Drei sind nicht beeinflussbar: das Geschlecht, die genetische Ausstattung und das Alter. Die übrigen Risikofaktoren sind in einer großen Studie, der Interheart-Studie, erforscht worden und lauten: Ungünstiger Fettstoffwechsel, Diabetes mellitus, hoher Blutdruck, Rauchen, erhöhter Bauchumfang – auch bezeichnet als abdominelle Fettsucht oder inneres Bauchfett – sowie privater oder beruflicher Stress. Dazu kommen  Verzicht auf Obst und Gemüse, Bewegungsmangel und – man mag es kaum glauben und muss es mit Vorsicht formulieren – die völlige Alkohol-Abstinenz. Ab und zu ein Glas Wein schadet dagegen nicht.

Stichwort Übergewicht: Ab wann wird es zum Risiko? Sind schon ein paar kleine Pölsterchen gefährlich?

Dr. Bosiljanoff: Nein, nicht grundsätzlich. Wir halten aber insbesondere die oben erwähnte abdominelle Fettsucht, also den dicken Bauch, für gefährlich und zwar oberhalb eines Taillenumfanges von 88 cm bei Frauen und 102 cm bei Männern.

Was sind die Hauptursachen für Arteriosklerose, die ja eine große Gefahr für die Gefäße darstellt?

Dr. Bosiljanoff: Den wichtigsten Beitrag liefern die Fettstoffwechselstörungen – also erhöhte Cholesterin- und/oder Triglyzeridspiegel –, in engem Zusammenhang mit Entzündungsvorgängen, die wir noch nicht in vollem Umfange verstehen. Am Beginn kommt es zu geringfügigen Verletzungen der Gefäßinnenhaut, in denen dann vermehrt Blutfette, zum Beispiel LDL-Cholesterin, haften bleiben, die normalerweise mit dem Blut weiter transportiert würden. Diese lösen Entzündungsvorgänge aus, in der Folge bilden sich an der Gefäßwand cholesterinhaltige Ablagerungen, sogenannte Plaques. Reißt die Hülle der Plaques ein, bildet sich ein Blutgerinnsel, das das Gefäß verstopfen kann.

Wie kann ich mein persönliches Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen abschätzen und etwas über den Zustand meiner Gefäße erfahren?

Dr. Bosiljanoff: Je mehr Risikofaktoren man auf sich vereint, desto größer ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit. Empfehlenswert sind Risiko-Kalkulatoren, die auch im Internet eingesehen werden können, wie der „PROCAM-Score“, der „Framingham-Score“ oder der „ESC-Score“, um die gebräuchlichsten zu nennen. Den Gefäßzustand kann ein Kardiologe zum Beispiel mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader beurteilen.

Was sagen der Gesamtcholesterinspiegel und die einzelnen Komponenten dieses Wertes aus?

Dr. Bosiljanoff: Es ist wichtig zu verstehen, dass die einzelnen Messwerte – sei es Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride, systolischer Blutdruck oder was auch immer – nur Risikomarker sind. Sie beschreiben zwar durchaus korrekt das Risiko, das bedeutet jedoch noch nicht, dass die Beeinflussung dieser Werte grundsätzlich mit einer Verringerung des Arteriosklerose-Ausmaßes einhergeht. In der Regel bestimmen wir das Gesamtcholesterin und die Unterfraktionen LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin sowie gelegentlich auch das Lipoprotein (a). Aus der Konstellation dieser Lipoproteine leiten wir das individuelle Gefäßrisiko eines Patienten ab und versuchen dies gegebenenfalls durch die Senkung des LDL-Cholesterins zu reduzieren. Die Triglyzeride sollten 150 mg/dl nicht überschreiten, sie lassen sich von allen drei Werten am besten durch die Ernährung beeinflussen.

Kann man die einzelnen Blutfettwerte wie LDL- und HDL-Cholesterin gezielt beeinflussen, und wenn ja, wie?

Dr. Bosiljanoff: Wir können LDL- und HDL-Cholesterin in gewissem Maße durch eine Veränderung unseres Lebensstils beeinflussen. Das HDL-Cholesterin lässt sich beispielsweise geringfügig durch sportliche Betätigung oder auch durch das Aufgeben des Rauchens erhöhen, das LDL-Cholesterin kann man in gewissem Maße durch fettarme Ernährung senken. Zur Senkung des LDL-Cholesterins stehen uns aber in erster Linie wirksame Medikamente zur Verfügung.

Welche Medikamente stehen heute zur Senkung des LDL-Cholesterins zur Verfügung? Für welche Patienten ist welche Behandlung geeignet, und wann ist eine Kombinationstherapie sinnvoll?

Dr. Bosiljanoff: Die wichtigste Medikamentengruppe sind die Statine, die wir seit fast 25 Jahren erfolgreich anwenden. Andere bei uns verfügbare Medikamente sind Cholesterin-Resorptionshemmer wie etwa Ezetimib sowie die sogenannten „Gallensalzbinder“ wie Colestyramin, Colestipol oder Colesevelam, die nur im Darm wirken und Cholesterin der Ausscheidung zuführen. Zunächst werden in der Regel Statine eingesetzt. Führt das nicht zum gewünschten Erfolg, kann eine Kombinationstherapie mit einem der oben genannten Wirkstoffe sinnvoll sein.

Was kann ich selbst tun, um meinen Cholesterinspiegel und die damit verbundenen Risiken so niedrig wie möglich zu halten?

Dr. Bosiljanoff: Im Vordergrund stehen eine fettarme, fettmodifizierte und cholesterinarme Ernährung sowie ein vernünftiges Maß an körperlicher Betätigung. Sollte der betreuende Arzt der Auffassung sein, dass das errechnete Risiko für eine kardiovaskuläre Komplikation zu groß ist und eine Veränderung des Lebensstils nicht ausreicht, um dieses zu senken, so kommt die regelmäßige Einnahme von Lipidsenkern infrage.

Autor*innen

Dr. med. Peter Bosiljanoff, Sandra Göbel/djd | zuletzt geändert am um 16:46 Uhr